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Lous and the Yakuza – Gore

© Sony Music

Neue französischsprachige Musik wird auch im deutschsprachigen Raum immer beliebter. Lous and the Yakuza sollte mit ihrem Debüt-Album Gore gehört werden.

Was macht man als nicht französisch-sprechender Mensch mit französischsprachiger Musik? Ignorieren? Das wäre zu einfach. Vor allem wenn die Musik, die Beats, das Arrangement zu gut ist. Also wird nicht klein beigegeben, sondern mit diversen Übersetzungssoftwares Texte übersetzt. Weil, um Markus Kavka zu zitieren, am Ende “haben wir wieder was gelernt”.

Zum Glück rausgeschmissen

Hinter Lou and the Yakuza steht Marie-Pierra Kakoma. 1996 in Lubumbashi (Kongo) geboren, floh die Familie während des zweiten Kongokriegs nach Belgien. Sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter arbeiteten als Ärzte in Afrika, Marie-Pierra sollte laut Elternplan ebenfalls in diesem Berufsfeld tätig sein. Nach dem Krieg wurde Belgien wieder der Rücken gekehrt um sich in Ruanda, der Heimat der Mutter niederzulassen. 2011 entschloss man sich abermals nach Belgien zu ziehen.

© Sony Music

Aufgewachsen mit Musik von Mozart, Beethoven und Chopin, wollte Marie-Pierra früh Musikerin werden. Schon mit 15 Jahren schrieb sie Initiativbewerbungen an das Plattenlabel Columbia Records, um ihrem Traum näher zu kommen. Ihre Eltern waren strikt gegen dieses Vorhaben, schon mit 18 wurde Marie-Pierra enterbt, ein Jahr später schlussendlich vor die Tür gesetzt. Obdachlos lebte sie einige Monate auf den Straßen Brüssels, nur um in einem Musikstudio eine Bleibe zu finden, wo sie nicht nur schlief, sondern auch ihre ersten Songs aufnahm. 2017 sollte sie tatsächlich von Columbia Records unter Vertrag genommen werden, jetzt erschien mit Gore das langersehnte erste Album.

Dilemmas

Vergangenes Jahr veröffentlichte Lous and the Yakuza mit Dilemme ihre erste Single. Den Künstlernahmen bildete sie aus einem Anagramm aus Soul und den Yakuza, die ihre Crew beschreiben soll. Die erste Single eröffnet auch ihr Album – ein Potpourri aus allen Stärken Lous: Sprechgesang über einen minimalistischen Beat, ein eingängiger Refrain und Themen, die ernst, aber unbekümmert leicht vorgetragen werden. Das Dilemma des Alleinseins, die Suche nach der Zugehörigkeit, wurden im Jahr 2020 selten schöner beschrieben.

Bon acteur wurde vor allem durch YouTube-Kanal COLORS bekannt. Die vergleichsweise aufs Wesentliche reduzierte Produktion ihrer Lieder, zieht sich durch das gesamte Album durch. Dennoch wird jeder der zehn Songs zu einem eigenen Hit. Der Traum erfolgreich und als Musikerin glücklich zu sein, lässt sie Téléphone sonne nach nicht mehr schlafen. Fear of missing out trifft die Generation Y und Z ständig und hart.

Voll da

Dans la hess geht in die Kategorie – steh mir nicht im Weg, raus aus der Scheiße und Geld machen. Was zum Standard-Repertoire eines jeden Rappers gehört, klingt bei Lous and the Yakuza aber nicht zwanghaft aggro, sondern so smooth und lebendig, dass tatsächlich die Zuversicht auf den Durch- und Ausbruch der Armut besteht. Das gilt auch für Tout est gore: Wo in unseren Breitengraden sämtliche Meros und Enos mit ihrem “Benzer” und sehr vielen schlecht aneinander geketteten Zweckreimen durch die Straße ballern, macht es Lous wieder anders. In Belgien scheint man mit mehr Klasse zu fahren.

In Amigo bittet sie um Hilfe, da das Leben keine Geschenke macht – schon gar nicht jungen, selbstbestimmten Frauen. In Courant d’air wirft Lous mit Punchlines um sich: die Stimmung oder der Tonfall wird nicht aggressiv, viel mehr beleidigt sie auf sehr subtile, melodische Art. Solo schließt das Album fast philosophisch ab (“Warum ist schwarz keine Regenbogenfarbe”) ab.

Mit wenigen Mitteln, aber einem klaren Plan führt uns Lou and the Yakuza durch 29 aufregende Minuten. Auch wenn hier und da das letzte überraschende Moment fehlt, überzeugt Gore auf voller Linie. Ein durchaus gelungenes Debüt-Album einer äußerst talentierten und vielversprechenden Künstlerin.

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