© Irrsinn Tonträger
Ohne große Vorankündigung veröffentlichten AnnenMayKantereit ihr drittes Studio-Album 12. Es wird düster.
Ich muss mich zwingen ein paar Stunden mein Handy wegzulegen
Fühlt sich an, als wäre gestern alles halb so wild gewesen
Und morgen könnte alles, alles anders sein
Wirklich happy sind die erfolgsverwöhnten Jungs von AnnenMayKantereit auf 12 nicht. Auch sie entschlossen sich die Langeweile des Lockdowns mit neuer Musik zu durchbrechen. 16 Songs bei 37 Minuten – der Schreibwille war da, die Aufnahmemöglichkeiten unter diesen Umständen nur bedingt. Wenn die Band sonst im Studio gemeinsam aufnimmt, musste dieses Mal separiert musiziert werden. Das hört man auch, bewusst wie die Band selbst sagt. “Christopher war im Proberaum, Severin im spontan aufgebauten Homestudio und ich hatte die Gelegenheit, an einem desinfizierten Klavier zu arbeiten. Inklusive Markus Ganter (unserem Produzenten) hinter einer Glasscheibe. Wir haben uns oft für die Momente entschieden. Für die spontanen Handy-Aufnahmen, für die Versprecher, das Räuspern, das Vogelzwitschern oder knarzende Klavierstühle. Hoffentlich kann man erahnen, was wir damit gern unterstreichen wollte.“
Viel Hoffnung gibt die ersten Hälfte von 12 nicht unbedingt. Die Ohnmacht, die Probleme der Jungs mit dem Lockdown und das allgemeine Befinden stehen im Mittelpunkt. So, wie es war, so wird es nie wieder sein singt Henning in Zukunft fast schon stoisch und mit einer ordentlichen Prise Depression. Das war’s – für AnnenMayKantereit bleiben nur noch die Erinnerungen an das Leben vor Corona, das berühmter als der Mauerfall und Jesus zusamm’n ist (Gegenwartsbewältigung).
Lasst euch nicht so hängen
Die Band scheint irgendwann aber doch noch einen kleinen Lichtblick zu sehen. Irgendwann beginnt sich die Stimmung zu drehen und die Sonne kommt nach der Dunkelheit des Lockdowns zurück.
Paloma, Ganz Egal und Aufgeregt lassen die Band wieder zu fröhlicheren Klängen kommen. Liebe, Sehnsucht die sich stillen lässt – ein Aufblühen nach der Einsamkeit.
Die Sonne kam nur um wieder in sich zusammenzufallen. Die Letzte Ballade dient als Paradebeispiel dafür. Große Themen, Konflikte, wollen hier aufgearbeitet werden: Der Klimawandel, die Anschläge von Hanau, die generelle politische Stimmung. Aber wie so vieles auf 12 wird nur angedeutet und angetäuscht, selten aber der echte Abschluss gesucht. Es fehlt der Wille zum Beenden und Fertigschreiben. 12 ist mehr Demo-Tape denn echtes Album. Nicht wegen der rauen Aufnahmen, sondern mehr wegen der zahlreichen Song-Schnippsel, die als eigenständige Lieder verkauft werden.
Es ist ein Album aus dem Lockdown. Ein Album, das unter Schock entstanden ist.
Für uns hat es immer drei Teile gehabt – den düsteren Beginn, das Aufatmen danach und die süß-bittere Wahrheit zum Schluss. Wir wünschen uns, dass dieses Album am Stück gehört wird.
Die drei von der Band angesprochenen Teile hört man auf 12 tatsächlich. Dennoch bleibt unter dem Strich eine dunkle Grundstimmung übrig. Natürlich darf auch Hoffnungslosigkeit, gerade in diesen schwierigen Zeiten, seinen Platz finden. Aber in diesem Kontext und auf dieser Platte nervt diese Thematik mehr, als dass sie irgendeine Lösung aus den Problemen bieten würde. Spannend wird zudem, wie die Band diese Songs live spielen will. Bis auf wenige Ausnahmen verpasst man bei 12 nicht viel. Ein Album, das vor allem der Band geholfen hat und daher seine Berechtigung hat – ansonsten aber den bisherigen Platten AnnenMayKantereits deutlich hinterherhinkt.
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.