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Wie klingt deutschsprachige Musik im Jahr 2021? Sehr gut! Mine hat mit Hinüber ein fantastisches Album gezaubert, in dem man sich stundenlang baden will.
Das mittlerweile sechste Album von Mine behandelt ernste Themen mit sensationell eingängigen Klängen. Im titelgebenden Opener wird’s gleich düster. Das Meer besteht aus Plastik, Hungersnöte überall, die Welt steht so nicht mehr lang. Es geht eben nur so gut, bis es irgendwann hinüber ist. Ein Arrangement das den Ohren wohl tut, ein Video das jeden Preis dieser Branche verdient hat.
Die Welt ist ein Unfall heißt es im Closer. Ein düsterer Text, den Mine schon Anfang Dezember 2020 veröffentlichte und ihre Fans dazu animierte, ihn zu vertonen. Die endgültige Version der Künstlerin funktioniert jedenfalls glorreich. Bläser triumphieren zum Ende, untermalen Mines Statement Die Welt brennt.
Wie schön kann ein Song sein?
Manche Lieder tun weh. Weil sie schlecht sind, der Gesang nicht passt, der Mix ein Graus ist. Andere tun weh, weil sie Punkte treffen, die man schützen will. Mine trifft solche mit Mein Herz. Wenn sie in der dritten Strophe Mein Herz ist tot, es lebe mein Herz ruft, wird man etwas versöhnlicher, nachdem im Refrain Es zerreißt, zerreißt mein Herz / Wie kannst du mir das antun? besungen wird. Ein perfekter Song, der mit Streichern schlussendlich noch eine weitere, tiefergehende Ebene erreicht. Das ist nicht schnulzig, das ist ehrlich.
Diese Ehrlichkeit behält sie sich über das gesamte Album, vor allem aber in Audiot das sie zusammen mit Dexter und Crack Ignaz vorträgt. Du magst Scheiße, doch es ist schon okay / Es ist so okay, es tut niemandem weh / Nur ich kanns nicht verstehen – unmissverständlich werden hier Musikgeschmäcker auf besondere Art und Weise geshamed. Es ist eh ok. Craack Ignaz und Dexter geben dem Song eine fantastische Note, ein wenig Trap, der sich wunderbar mit Mine verträgt. Ich träum’ von ihren Akkorden (Ahh) / Wach’ auf am nächsten morgen (Morgen) / Blut im ganzen Zimmer / Alle am Musikgeschmack gestorben (Ich war’s nicht).
Ja, auf Hinüber wird es auch cheesy. Eiscreme geht ins Ohr, vermittelt ein Gefühl von warmen Temperaturen. Baby, du bist Eis / Ich mag dich so wie Eiscreme ist dann aber doch ein wenig zu dick aufgetragen. Immerhin gibt’s einen guten Rat: Wenn es die Welt schlecht mit dir meint / Dann Freundin, gib dir Speiseeis.
Lambada und Tiere
Lambadaimlimbo darf man als größten Stilbruch des Albums ansehen. Hier braucht man vermutlich am längsten um sich mit den konträren Klängen anzufreunden. Der Track funktioniert später dennoch, hat wunderbar auflösende, befreiende Passagen. Elefant ist lyrisch als auch musikalisch Anwärter für einen der besten deutschen Songs des Jahres. Yeah, ich weiß es, du weißt es, wir wissen es beide / Wenn keiner was macht gehen wir zur Neige.
Ruhiger wird es in Tier, das aber keinen Abstrich auf lyrischer Ebene macht. Es wird nicht viele Musiker:innen im deutschsprachigen Raum geben, die lyrisch besser liefern, als es Mine auf Hinüber tut. Ihre Kreativität ist beneidenswert, ihre Leichtigkeit und Gespür für Arrangements und Umsetzung ansteckend. Es gibt nicht viele Schwächen auf Hinüber, vielleicht hätte es noch ein, zwei Lieder mehr vertragen.
So kann man aber getrost sagen: Mine hat ein ordentliches Brett abgeliefert. Ein Album, das zum Klassiker werden muss und in den Bestenlisten des Jahres 2021 weit vorne zu finden sein wird. Man kann sich hineinlegen, bis alles hinüber ist.
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.