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Was ist eigentlich mit Grunge los? Gibt’s das noch? Letztes Jahr erschien „Fake it Flowers“ von beabadoobee, dem große Grunge-Vorschusslorbeeren entgegen gebracht wurden. Die junge Britin machte vieles gut, brachte einen gewissen 90s-Vibe zurück. Und jetzt? Jetzt gibt es Torres, die mit ihrem neuen Album „Thirstier“ diese Rock-Stimmung ebenfalls vermitteln will.
Thirstier – wenn der Durst mal richtig kickt. Was an heißen Sommertagen als guter Rat gemeint ist, bedeutet auf Torres umgemünzt: Lust nach mehr. Und mit Lust meint sie Sex. Das fünfte Album der 30-Jährigen aus Florida versteckt seine Absichten nicht, wird aber nicht so explizit wie es viele Rapperinnen derzeit machen. Aber versteckt ist ihre Absicht auch nicht. Ein Rausch, ein Akt ohne langes Vorspiel für die Hörer:innen.
Are You Sleepwalking, der Opener, kommt ohne lange Einführungszeit daher und gibt die Richtung für das Album vor. Rock, Grunge, vielleicht ein wenig Pop-Punk. Tatsächlich erinnert mich der Opener an Green Day-Scheiben vergangener Tage, zumindest in Nuancen. Da dürfen die Gitarren klirren, da wird der Refrain melodisch, wenn auch der gesamte Song sehr laut, vielleicht ein wenig „aggressiv“ daherkommt.
Ein erstes Highlight stellt Don’t Go Puttin Wishes in My Head dar. Ein Lied, für das Brandon Flowers vermutlich in Erwägung ziehen würde, das Book of Mormon gegen diese Rechte einzutauschen. Wenn wir die Blasphemie weglassen wollen, dann bleibt ein Song übrig, der stark an die Killers erinnert. Snythis, eine ansteckende Melodie, fantastischer Aufbau über knapp viereinhalb Minuten. Kurz: Einer der besten Indie-Pop-Songs des bisherigen Jahres.
Dass sie ihr fünftes Album wieder auf einem Indie-Label mit kleinerem Budget veröffnetlicht und nicht mehr Teil des Hit-Labels 4AD ist, fällt bei Thirstier nicht großartig auf. Wenn überhaupt, dann scheint der Stress, vielleicht auch die Wut auf die Entlassung, eine große Befreiung für sie darzustellen. Katharsis, wenn man so will, zu hören auf Drive Me, dessen harte, synthilastigen Strophen im krassen Gegensatz zum enorm eingängigen Refrain stehen. Eine spürbare Auflösung, eine Steigerung in fantastische Ohrwürmer.
Sie kann leiser und ruhiger machen, wie in Big Leap, was ihr auch extrem gut steht. Ein wenig verträumt, aber gerade im richtigen Moment eingesetzt. Es sind Melodien die so einfach sind, vielleicht auch nicht unbekannt und so gut funktionieren. Gleichzeitig klingt Torres dabei wie Marina, nur eben in einem anderen Genre.
Von einem Dinosaurier umarmt zu werden war vermutlich schmerzhaft. Zumindest wenn es sich um einen der großen Fleischfresser handelte. Torres benützt Hug From A Dinosaur aber wieder für eine Sex-Metapher. Kann man gelten lassen. Sehr pop-lastig, mit schrillem Keyboards, vor allem aber supercool.
Die Namensgebende Single Thristier, beginnt mit Gitarrengezupfe, ein paar Akkorde zerlegt, im Gegensatz zu den sonst üblichen Powerakkorden. Wieder – ich kann mir nicht helfen, die Stimmfarbe ähnelt jener Marinas in vielen Teilen. Was ruhig begann, entwickelt sich zu einem kräftigen Gebilde, einer Konfession, einem Dürsten nach mehr. Mehr Körper, mehr Nähe vom Partner. Wie in Wellen wechselt sie zwischen ihrer ruhigen, besonnen Seite und der lauten, horny/geilen Art. So ehrlich müssen wir sein.
Und dann kommen noch die Abstecher in die richtigen Synthi-Pop-Gefilden. Mit Kiss the Corner zum Beispiel, das ganz anders klingt als der Rest aber trotzem sehr gut rein passt. Weil ihr Vibe derselbe bleibt. Mir kommt nicht vor, dass sie diesen Song extra uaf die Platte gepackt hat, um noch eine andere Seite bzw. geplagte Vielseitigkeit zu zeigen. Er vorletzte Track Hand in the Air ist ganz eindeutig von Placebo inspiriert und wenn nicht, dann will ich nicht von dieser Vorstellung abweichen. Der Closer Keep The Devil Out, grungt noch einmal vor sich hin, mit verrücktem Gesang, denn man mögen muss. Vielleicht ein bisschen zu sehr über das Ziel hinausgeschossen.
Thirstier darf aber als absoluter Erfolg angesehen werden. Ein Album über Sex, dass das aber nicht so platt rausposaunt wie bspw. Ariana Grande auf ihrem letzten Album, dafür aber mit einer breiten Soundpalette aufschlägt und gleichzeitig Euphorie für Post-Corona-Konzerte versprüht. Torres sollte endlich die Aufmerksamkeit bekommen, die ihr zusteht. Thirstier hätte es sich verdient.
4/5 Pandroids
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.