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LOREDANA x MOZZIK – NO RICH PARENTS

© Groove Attack

Es ist DER Rosenkrieg in der Deutschrap-Szene: Die Trennung von Loredana und Mozzik zog einige unschöne Sequenzen nach sich. Umso überraschender, dass die beiden nach dem Rosenkrieg ein gemeinsames Album aufnahmen und jetzt auch veröffentlichten. No Rich Parents heißt das Ding, dem wir unsere Aufmerksamkeit heute schecken.

BACKGROUND

Die Schweizer Rapperin Loredana und ihr Noch-Ehemann Mozzik haben die vergangenen Jahre für Schlagzeilen gesorgt. Als große Sterne des Modus Mio-Raps lief es beruflich und geschäftlich äußerst gut, die Lieder werden millionenfach geklickt, die Charts damit gestürmt. Neben der Musik war es vor allem Loredanas kriminelle Vergangenheit, die den Zeitungen Stories lieferte. Über die große Betrugsmasche von Loredana wurde genug berichtet, als das wir das jetzt auch noch einmal großartig aufwärmen müssten. Nur so viel: Loredana soll mit ihrem Bruder ein älteres Ehepaar um 600.000 Franken betrogen haben. Nach der Einvernahme 2019 folgte die Flucht in den Kosovo samt Unschuldsbeteuerungspressekonferenz. Schlussendlich kehrte sie in die Schweiz zurück, einigte sich außergerichtlich mit den Geschädigten und machte damit einen Schlussstrich unter die Sache.

Mit Mozzik lief es da noch gut, die beiden wurden 2018 Eltern einer Tochter und schienen musikalisch als auch privat unzertrennlich. Bis die Beziehung auch zu Bruch ging und ein beispielloser Rosenkrieg folgte, indem sich keiner der beiden Beteiligten durch noble Zurückhaltung präsentierte. Im Mai 2021 folgte das überraschende Liebescomeback samt Vorstellung einer neuen Single Rosenkrieg. Gleichzeitig kündigten sie ein gemeinsames Album an – No Rich Parents, das jetzt erschienen ist. Die Liebe hielt nicht weiter, Stand jetzt sind die beiden wieder getrennt. Aber das Album ist da.

COVER

Vermutlich soll man einen Einblick in den privaten Bereich der beiden bekommen. Einige deutsche Hiphop-Portale sprachen von einem Skandal-Nacktfoto. Man kann auch alles übertreiben. Der Titel geht auf die eigene Kindheit zurück:

“Wir haben einfach Eltern gehabt, die nicht immer die Möglichkeit hatten, uns das zu geben, was wir haben wollten. Aber wir waren auch mega zufrieden damit. Dafür ist es jetzt so, dass Hana jetzt ‘Rich Parents’ hat. […] Trotzdem wollen wir nicht die Zeit vergessen, in der wir nichts hatten.”

PRODUKTION

Von den vierzehn Tracks wurden zwölf von JUMPA produziert. Der 26-Jährige arbeitete in der Vergangenheit hauptsächlich mit Vega und Farid Bang zusammen und scheint der gewünschte Mann für den Sound von Loredana und Mozzik zu sein. Wichtigstes Element dieser Musik: Die Stimmveränderung. Sei es Autotune oder andere diverse Filter – auf diesem Album hört man alles, was die Software hergibt. Das ist bei Loredana und Mozzik nichts neues und sie sind – vor allem in der neuen deutschsprachigen Szene – bei weitem nicht die Einzigen, die auf diese Mittel zurückgreifen. So kann man eben sehr viele Dinge kaschieren. Raptechnisch gibt’s Trap- und Mumble-Rap von Mozzik und von beiden immer wieder Versuche ein wenig zu singen. Das kann manchmal besser klingen, manchmal voll daneben gehen.

Die Beats sind selten überragend oder spannend, sind hauptsächlich austauschbar, aber zumindest nicht vollkommen langweilig. Bei Baby Boy wird es aber zu viel des Guten, hier will JUMPA offenbar einen ganz gefinkelten Beat vorweisen, der aber im absoluten Chaos endet (nicht im Kanye-Chaos, sondern im Möchtegern-Kanye-Modus). Aber ganz ehrlich – ob da jetzt JUMPA, Juh-Dee oder Miksu draufsteht, macht selten einen Unterschied, Hauptsache der 808 kickt. Der Versuch eines Loop-Refrains in Du&Ich scheitert ebenfalls, die Grenze zwischen gut eingesetzt und übertrieben wird überschritten. Außerdem ist kein Lied länger als 2:50 Minuten – Modus Mio-Musik eben.

LYRICS

Hörer:Innen von No Rich Parents werden quasi Zeugen der Beziehungstherapie, der sich Loredana und Mozzik verschrieben haben. Die Texte handeln hauptsächlich von ihrem gemeinsamen Leben – egal ob es sich um vergangene Tage oder die Zukunft dreht. Überraschenderweise ist das selten cringy, dafür ziemlich ehrlich und real – wie man so schön neudeutsch sagt.

Man darf sich bei weitem kein perfektes Storytelling erwarten, bekommt aber zumindest den Versuch einer ordentlichen Portion Aufrichtigkeit. Die gesagten Lines sind zwar immer wieder schwach gereimt, an manchen Stellen aber auch glaubwürdig. Damit war auf Grund der vergangenen Veröffentlichungen nicht unbedingt zu rechnen. Der Closer Einsam behandelt die jeweilige Beziehung zu ihrer Tochter Hana und die Zeit, in der ein Elternteil nicht bei ihr sein kann.

Schon wieder vergeht ein Tag und ich bin irgendwo anders
Sag’ der Kleinen: „Mama muss das Geld verdien’n“
Es ist leider schon normal, dass ich nur mein Handy anlach’
Denn ich sehe dich auf meinem Screen

Hintergründe der Beziehung werden ebenfalls thematisiert, in Milano beispielsweise.

In Italien war’s „Ti amo“ und „Mi amor“
Und in Milano war’n wir happy, in Berlin no love no more
Gab das Jawort in Lugano und die Ringe von Dior
Unsre Herzen wie Piano

In Immer wenn es regnet wird’s noch dramatischer:

Immer, wenn es regnet
Denk’ ich an die Zeit
Will vergessen, doch es geht nicht
Du bist immer noch ein Teil
Und schon wieder steh’n die Koffer vor der Tür
Schrei’ „Verpiss dich!“, doch ich hoffe, du bleibst hier

Ganz ohne Protzen geht aber auch nicht. Im Opener Oh Digga oder in Jedes Mal hört man das ganz gut. Mozzik beginnt seine Strophe etwa mit:

Für die Jacke sterben vier Alligatoren

Die Zollbeamten woll’n mich holen
Blutrot ist die Farbe an den Sohlen
Für dich ein Traum, für mich bleibt das einfach Mode

Tut schon ein wenig weh. Noch schlimmer wird es aber in Mit Mir:

Immer, wenn was endet, muss es neu beginn’n
Du vergisst, wer ich bin
Wärst du noch in deiner Rolle, wär’n wir noch in unserm Film, ja, ja

Die Texte arbeiten die Trennung auf, feiern die Wiederversöhnung nur um am Ende wieder am Beginn herauszukommen. Nichts geht mehr, es scheint endgültig vorbei zu sein. Mozzik und auch Loredana streuen immer wieder Strophen auf albanisch ein, die den Liedern oft auch guttun. Inhaltlich kann ich mich nur auf den Translater verlassen, um zu verstehen, was hier vorgetragen wird. Spoiler – ziemlich dasselbe wie auf deutsch.

REVIEW

Oh Digga wäre gerne ein Song von Shirin David. Sowohl Beat als auch Loredana imitieren Shirin, Mozzik tritt mit der protzigsten Attitüde auf, die er finden konnte. Man kann sich wehren, aber der Kopf wird trotzdem mitnicken. 

Ab Track zwei beginnt dann die Beziehungs-Aufarbeitungsphase, die uns bis zum Ende eigentlich nicht mehr verlässt. Milano funktioniert gut – eine reduzierte Hook wenn Loredana singt, bei Mozziks Version setzt der Beat ein. Guter Wechsel zwischen Reduktion aufs Wesentliche und Draufgängertum, auch wenn die zum Schluss eingestreuten Streicher doch sehr flach ausfallen.

Immer wenn es regnet überstrapaziert die Gesangskünste von Mozzik, das geht sich einfach um ein paar Nuancen nicht aus. Generell kann man ihm seinen Einsatz nicht absprechen, aber er schafft es hier nicht, die hohen Töne voll zu treffen. Die Strophe packt das von Loredana und Mozzik geliebte Bonnie & Clyde-Thema wieder auf, Mozzik und Loredana orientieren sich an Beyonce und Jay-Zs Version des Gangsterpaars. Ein sehr intimer Song, der manchmal in Überdramatisierung abzudriften droht, die Kurve aber noch bekommt.

Sowohl Happy Birthday als auch die Vorabsingle Rosenkrieg sind durchaus solide Rapsongs der Deutschrap-Szene 2021. Sehr eingängig, immer mit dem Anspruch sich ein wenig größer zu machen, als man eigentlich ist. Die große Varianz an unterschiedlichen Stilen sucht man auf No Rich Parents vergebens, eintönig wird die Platte trotzdem nicht.

Natürlich gibt es aber auch sehr, sehr bescheidene Momente. EX, Fotos ohne Blitz vor allem aber Baby Boy sind aus unterschiedlichen Gründen verwerfliche Songs. Ex ist eine weitere Kopie von Songs wie Good in Bed von Dua Lipa, Fotos ohne Blitz versucht besonders sexy und erotisch zu sein, scheitert aber an der Plumpheit des Beats als auch des Textes. Und Baby Boy? Komplettes Chaos.

Mozziks aggressive Art kann kippen, an manchen Stellen sieht und hört man ihn im Speichelüberfluss Wörter um sich herumwerfen. Oder er rappt mit Kaugummi im Mund (Mit Mir und vor allem OMG). Nese Don will ein wenig südländische Stimmung hineinbringen und ich weiß nicht, ob das tatsächlich gelingt. Einsam hat eine gute Absicht, Mozziks Hana-Mama-Rihanna-Baller-Reimkette schmerzt in der Strophe aber schon sehr.

FAZIT

Um ehrlich zu sein, habe ich mir vor erstmaligem Hören dieses Albums nichts erwartet – und ich bin gar nicht einmal so schwer enttäuscht worden. No Rich Parents reiht sich zwar mit Sicherheit nicht in die besten deutschen Rap-Alben ein, wird aber auch nicht ganz unten in der Rangliste stehen. Zumindest zieht sich thematisch ein Thema durch – die Beziehung zwischen Loredana und Mozzik. Viele Überraschungen bietet das Album nicht, das dürfte aber auch nicht im Interesse der Autoren gewesen sein. Die Klicks werden stimmen, der Cash fließen, auch wenn die Liebe (derweil wieder) erloschen ist.

Loredana hat positiv überrascht, Mozzik das gemacht, was er immer tut. Da weiß ich auch nach mehreren Hördurchläufen nicht, ob das cool oder voll daneben ist. Wie das ganze live klingt und ob das überhaupt jemals gespielt wird, steht auf einem anderen Blatt Papier. Trotzdem – ich habe schon schlimmeres dieses Jahr gehört.

2/5 Pandroids

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