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ED SHEERAN – = (EQUALS)

© Asylum Records

Der Schmusesänger meldet sich zurück. Nachdem Ed Sheeran weltweit die Charts seit einigen Monaten schon dominiert, hat er mit = (Equals) sein viertes Studioalbum veröffentlicht. Dabei kommen Fans voll auf ihre Kosten. Und alle anderen? Das schauen wir uns jetzt an.

BACKGROUND

Vier Jahre liegt das letzte Soloalbum von Ed Sheeran zurück, dazwischen kollaborierte er sich mit allem was Rang und Namen hat durch die Musikwelt. Seit Divide hat sich einiges getan. Sheeran heiratete seine Langzeitfreundin und wurde vergangenes Jahr erstmals Vater. Seine kleine Tochter ist dementsprechend das Wichtigste in seinem Leben geworden. Und genau darum geht es in Equals – seine Tochter, seine Frau und die Erfahrungen des Verlusts, insbesondere der Tod eines nahestehenden Freundes. Dementsprechend müssen wir auch nicht weiter groß auf die Lyrics eingehen, sie sind manchmal unaushaltbar cheesy, manchmal einfach platt und selten von herausragendem Songwriting geprägt.

Die ersten beiden Vorabsingles Bad Habits und Shivers erreichten in vielen europäischen Ländern die Topplatzierung in den Charts.

PRODUCTION

Sheeran produzierte bis auf einen Song sämtliche Lieder mit, bekam dabei von einigen Freunden Unterstützung. Vor allem von Weggefährten, die schon seit Karrierebeginn an seiner Seite stehen, wie etwa Snow Patrol-Keyboarder Johnny McDaid, der nahezu jeden Track mit Sheeran zusammenschrieb und auch produzierte. Mit Watt bzw. Adrew Wotman (Miley Cyrus, Justin Bieber) nahm er außerdem zum ersten Mal gemeinsam auf. 14 Songs, knapp 49 Minuten kamen dabei heraus.

REVIEW

Ed startet mit einer Bestandsaufnahme. In Tides erklärt er sein Leben, gibt ein Update aus den letzten Jahren und wählt dafür auch gleich die Option, dass man den Song als Opener in Arenen spielen kann. Der Song beginnt klassisch, ein wenig lauter als gewohnt vielleicht, tritt dann aber im Refrain voll auf die Bremse um die Liebe zu seiner Tochter zu besingen.

Time stops to still
When you are in my arms, it always will
And life, life is changin’ tides

Ein erster Vorgeschmack von dem, was wir noch sehr oft zu hören bekommen. Shivers folgt und damit ein Lied, das derzeit überall rauf und runter gespielt wird. Auch wenn man Radio oder TV niemals einschaltet ­– man wird dieses Lied irgendwo schon einmal gehört haben. Pizzicato-Streicher, bisschen elektrisches Schlagwerk, Claps und Ed Sheeran mit seiner typischen Melodie. Die Gitarre darf natürlich auch nicht fehlen, im Refrain kommt sie dann prominent zum Einsatz – wie auch ein paar Bläser, die fallen aber dezenter aus. Einen Schauer in Corona-Zeiten weiterzugeben ist nicht unmutig von Teddy. Um’s kurz zu machen: eine perfekte Nummer für Mainstream-Radiostationen.

Einigen Fans ist der neue elektronische Sound von Shivers nicht sehr sympathisch, weshalb Ed gleich mit First Times um die Ecke kommt. Ein Schmusesong mit vielen Streichern und seiner Gitarre und eine weitere ultimative Liebeserklärung an seine Frau. Sheerans Stimme wirkt gebrechlich, was dramaturgisch natürlich perfekt zum Text passt.

The first kiss, first night, first song that made you cry
First dance in moonlight in your parents’ garden, I
Can’t wait to see everything that’s yet to be
Our first child and then a million more first times

In Wahrheit war er laut eigener Aussage ziemlich zugedröhnt. Dass sollen seine Fans dann wohl auch bei Bad Habbits sein, der Dance-Nummer des Albums, dem Chartstürmer. Sheeran reiht sich ein in die Riege jener Künstler, die zwanghaft versuchen The Weeknd zu kopieren. Innovativ ist hier wenig bis gar nichts, nicht einmal das Video überzeugt mit Individualität. Klar, diese Art von Sound ist für Sheeran nicht typisch, aber außerordentlich besonders ist hier nichts. Braucht es auch nicht sein, so klingt einer der größten Pophits des Jahres.

Sheeran bleibt in der Uptempo-Spirale Overpass Graffiti hätte eigentlich eine Power-Ballade sein sollen, dem Produzent Fred muss es aber auch zu viel geworden sein, als er Sheeran vorschlug, den Song einfach schneller zu spielen. Wieder ein paar schrille Elemente, wieder mehr elektronisches denn klassisch akkustisches. Vermutlich der nächste Welthit. Er bleibt der Linie der „Liedchen“ treu, die nicht wehtun und sich ins Ohr brennen. Die Fähigkeit Pop-Songs zu schreiben – also musikalisch – kann man ihm ja nicht absprechen.

Genug getanzt, es muss wieder eine ruhige Ballade her: The Joker and the Queen. Sheeran wird von einem Klavier begeleitet und packt in der zweiten Strophe die akustische Gitarre aus, bis schlussendlich noch ein paar Streicher den kompletten Schmalz aus allen Poren dieses Lieds tropfen lassen. Ein Lied für künftige Hochzeiten, nicht nur, weil er von einem Diamantring singt. Nachdem er sich seiner Frau widmete, ist es Zeit für eine weitere Liebesbekundung für seine Tochter. Leave Your Life ist der Basic-Sheeran-Song, von denen er vermutlich immer noch 13.000 in der Schublade liegen hat. Nicht falsch verstehen – nichts ist falsch daran, seiner Tochter zu sagen, dass man immer für sie da sein wird – aber musikalisch kann man diese Nummer in die Kategorie „Langweilig hoch 1000“ stecken und nie wieder nach ihr greifen – vor allem, weil er nicht aufhören will. 3:43 Minuten wird man hier berieselt.

Ein wenig schneller wird es wieder in Collide, auch wenn sich inhaltlich nichts ändert. Ed zählt alle Dinge auf, die er mit seiner Frau schon erlebt hat. Das wird unweigerlich kitschig, da hilft es auch nichts, wenn er zu ihr sagt, dass sie ihn zum Leben bringt, wenn beide kollidieren. Ja, dieses Lied wird auch auf Hochzeiten gespielt werden, wenn es auch auf Grund des durchaus nervenden Chors im Hintergrund gegen The Joker and the Queen nur wenig Chancen haben dürfte. Aber gut, es gibt natürlich noch ein Break und Ed singt mit dem Klavier dem Ende des Songs entgegen. An diesem Punkt des Albums ist man um jede – wirklich jede (!) – Abwechslung froh, deshalb darf Teddy auf 2step auch wieder zum Rapper werden. Schon auf vergangenen Alben hat er sich dem Sprachgesang gewidmet. Jetzt erzählt er seine Geschichte, die im Refrain wieder damit endet, dass er mit seiner Frau tanzt. Zusammenfassend: Einer der besseren Songs des Albums, einfach weil er was anderes bietet und einen okayen Beat vorweisen kann.

Bei einem globalen Popstar läuft auch nicht alles rund, das erzählt uns Ed in Stop The Rain. Ein Plagiatsprozess setzt ihm zu, er arbeitet ihn in einem weiteren äußerst radiotauglichen Lied auf, der seiner Clap-Break-Akustisch-Chor-Erfolgsformel folgt und in den Charts auch wieder weit vorne zu finden sein wird. Der Song ist insgesamt zu groß, vor allem die Chöre sind in dieser Form schlichtweg nicht notwendig. Weil aller guten Dinge drei sind, legt Ed mit Love In Slow Motion noch einmal mit dem nächsten Hochzeitssong nach. Wieder erklärt er seine unendliche Liebe an seine Frau und seine Tochter, diesmal wieder mit der Gitarre und der Vorstellung eines Paares, dass zum ersten Tanz nach dem Ja-Wort antritt.

Viele Fans werden Visiting Hours skippen – nicht weil es sich hier um einen schlechten Track handelt, sondern weil die Botschaft nur schwer ertragbar ist. Das Lied handelt vom Tod von Michael Gudinski, einem australischen Promoter und Freund von Sheeran. Eine echte Ballade, direkt aus dem Herz, zweifellos einer der besseren Songs auf Equal. Ein paar Tweeks hätte er sich im Refrain sparen können, der Chor – in dem unter anderem Kylie Minogue mitsingt – gibt Tiefe. Instrumental fällt der Song gegen Ende ein wenig ab, obwohl er genau das Gegenteil versucht. Eine Reduktion auf das Wesentliche ohne den Versuch sich immer steigern zu müssen, wäre wünschenswert gewesen.

Was folgt auf so eine Ode an einen verstorbenen Freund? Ein Einschlaflied. Kein Witz, Sandman ist seiner Tochter als Einschlafhilfe gewidmet. Sheeran schrieb das Lied noch vor der Geburt seiner Tochter und hat sich aus mir unerklärlichen Gründen dafür entschieden, diesen Song auf das Album zu geben. 4:19 Minuten lang dreht sich die Spieluhr, dabei braucht es nur gute zehn Sekunden, um in das Reich der Träume einzutauchen. Mehr will ich dazu gar nicht mehr sagen. Der Closer Be Right Now hätte direkt auf dem neuen Coldplay-Album erscheinen können und das sagt dann eigentlich auch schon alles über dieses Lied aus. Er versucht sich an für ihn neuen Stilmitteln und bläht ein weiteres Lied künstlich auf.

FAZIT

Um dieses Album in seiner vollen Pracht genießen zu können, müssen zwei Dinge erfüllt sein: Man sollte frisch verheiratet oder zumindest glücklich verliebt und Vater geworden sein. Dann wird man an Equal seine Freude haben. Alle anderen werden von den nie enden wollenden Liebesbekundungen im Pelz des Kitschs und der übermächtigen Blase der musikalischen Seichtheit erdrückt werden. Man muss Ed Sheeran nicht seine Gefühle absprechen, aber was Songs wie Sandman auf diesem Album verloren haben, weiß er wohl nur selbst. 49 Minuten voller (unter-)durchschnittlicher Musik. Nichts sticht heraus, alles hat man schon tausend Mal gehört.

1,5/5 Pandroids

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