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Deutschpop kann cool sein? Berechtigte Frage. Wenn man das neue Album von Max Giesinger hört, kommt man zum gegenteiligen Schluss.
BACKGROUND
Alles was man zu Max Giesiger wissen muss, hat Jan Böhmerman schon zusammengefasst. Wer trotzdem eine Kurzfassung haben will: Ehemaliger Teilnehmer bei The Voice of Germany, per Crowdfunding sein erstes Album finanziert, später von seinem Label als Posterboy des Deutschpops auserkoren. Große Radiohits mit 80 Millionen und Wenn sie tanzt und weil sie erst kürzlich waren, vielleicht auch noch erwähnenswert: MTV European Music Award 2016 in der Kategorie Best German Act. Album #2 ging Platin, Album #3 Gold. Jetzt ist das vierte Album mit dem kreativen Titel Vier erschienen.
REVIEW
Uff, selten haben sich 35 Minuten so lange angefühlt. Die zwölf Songs, die uns Max gibt, bestehen fast ausschließlich aus Kalendersprüchen, die er irgendwo auf Instagram gefunden und zu pseudophilosophischen Texten zusammengetragen hat. Allein der erste Song Irgendwann ist jetzt glänzt mit Perlen: Irgendwann schmeiß ich mein Handy ins Meer / Und irgendwann renn ich nicht allem hinterher. Er wäre so gern auf Urlaub.
Prinzipiell drängt sich die Frage auf, woher er seinen Faible für Zahlen hat. Diesmal wählt er Nummer 120 um auszudrücken, wieviele Fragen er noch in seinem Kopf hat. Der unfassbar austauschbare, seichte Gitarren-Pop der sämtliche Songs einnimmt, macht vieles, aber leider nichts spannend. Alles was man zu hören bekommt, hat man schon – um es mit seinen Zahlen zu beziffern – 80 Millionen Mal gehört. Und zwar von Max Giesinger selbst.
Klar probiert er auch auf den The Weeknd-Zug aufzuspringen, was man in kleinen Ausflügen in die Elektro-Schiene wie auf Irgendwo da draußen hören kann. Max singt von einem Kurt Cobain-Poster, das im Kinderzimmer hang und man fragt sich, wie falsch sich ein Satz eigentlich anhören kann. Aber gut, abgesehen von dieser im Kontext zu seinem Sound stehenden amüsanten Zeile, bekommt man den immer gleich weichgespülten Pop, dessen Text sich maximal im ersten Semester einer sehr schwindligen Philosophie-Fernstudiumsuni finden lässt.
Immer wieder Urlaub. Dieses ständige Fernweh das er besingt, lässt ihn zum Hymnenschreiber für Influencer werden, die sich zwei Monate am Meer die Sonne auf den Bauch scheinen lassen und die folgenden Wochen darüber jammern, dass sie sich so sehr nach Sonne und Wärme sehnen – nur um dann schon wieder zum großen See aufzubrechen. Max versteht diese Personen, ihm geht es gleich. In Berge verspricht er dem geliebten Gebirge, nicht allein und vor allem mit fetter Geldtasche zurückzukommen. In In Meinen Gedanken geht er sogar so weit, dass er seine Oma mit um die Welt mitnehmen will, nur um in der zweiten Strophe zu offenbaren, dass er sie viel zu selten anruft. Also gelebte Heuchelei, weil: Was hindert Max daran, mit seiner Oma auf einen Roadtrip zu gehen? Nichts ist für immer, doch ich weiß / Woran wir uns erinnern, ist was bleibt – ein Ausflug ins Flächenland also, mehr als imaginäre Reisen schauen dann leider doch nicht heraus.
In seiner Musik geht es um Heimweh und Fernweh, um Erinnerungen, die man hat oder auch nicht und um Zweifel – oder so. Das Wunder sind wir ist Paradebeispiel für einen Song, der voller Schmalz trieft und dessen Lyrics man nur schwer aushalten kann. Man bekommt das Gefühl, Max singt über Dinge, von denen er mal gehört, aber sie noch nie selbst erlebt hat. Das wird dann immer in einen neuen Kalenderspruch eingepackt. Wenn er dann noch versucht, Balladen zu schreiben, wird’s unangenehm. Nicht weil er nicht singen kann, sondern weil die Texte so dermaßen schmerzen, dass sogar Bonez MC als Nobelpreisträger erscheint. Das ist wenigstens real. Im Closer Das letzte Prozent wird albern dick aufgetragen, inklusive eines rockigen Schlusses, den nicht einmal Status Quo in dieser Form erfinden hätte können.
Einzig halbwegs positive Ausnahme zu diesem Einheitsbrei stellt Deine Zweifel dar, auf dem er biographische Details Preis gibt. Hier kann man ihm durch die Bank glauben und sich auch mit dem gewählten Arrangement anfreunden. Also bleibt die Erkenntnis: Max Giesinger könnte, wenn er wollte. Nur scheint ihm ordentliches Songwriting zu viel Arbeit zu sein.
FAZIT
Ich will nicht zu lange über dieses Album reden. Es ist schlecht und schrammt nur haarscharf an der 0 (in Worten Null) vorbei. Ende.
0,5/5 Pandroids
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.