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Heute: Synth-Pop. Und zwar von vorne bis hinten. Magdalena Bay, ein kalifornisches Duo bestehend aus Mica Tenenbaum und Matthew Lewin, haben ihr Debüt-Album Mercurial World veröffentlicht. Dabei verschwindet die Grenze zwischen Retro und Moderne. Synthis, Synthis, Synthis!
BACKGROUND
Mica Tenenbaum und Matthew Lewin lernten sich an der Highschool kennen und spielten zusammen in einer Rockgruppe namens Tabula Rasa. Die Band überlebte nicht lange, die Mitglieder gingen getrennte Wege. Mic studierte in Philadelphia, Matthew in Boston. Dennoch schlossen sie sich zum Duo Magdalena Bay zusammen, das nicht nach dem gleichnamigen Strand in Mexico, sondern einer Vorgesetzten von Matthew benannt wurde. Die Rockmusik wurde gegen Synth-Pop getauscht, Charli XCX oder Grimes dienten fortan als Vorbilder. Ab 2019 wurde sukzessive Musik veröffentlicht, drei EPs und zwei Mixtapes erschienen, ehe Anfang Oktober das erste Studioalbum folgte. Sie konnten einen Buzz erzeugen, vor allem auf Grund ihrer DIY-Videos und Stimmung.
REVIEW
Mercurial World bietet lyrisch verschiedenste Themen: Apokalypse, Zeit, Science-Fiction – Futuristischen Kram eben. Die Musik kann die Texte nicht nur unterstützen, sondern den gewünschten Effekt auslösen. Wie auf einem Raumschiff schwebt man durch die Pop-Galaxie. Letzte Ausfahrt Langeweile, alles was geboten wird, muss knallen.
Die 14 Songs bzw. die 46 Minuten vergehen tatsächlich wie im Flug und bilden einen hervorragend abgemischten Loop. The End als Opener, The Beginning als Closer, die nahtlos ineinander übergehen. Im Mittelpunkt steht natürlich der Synthesizer, der alles einnimmt und doch weiß, wann es genug ist. So kommen nicht nur fantastische Bops heraus, sondern auch die abermalige Erkenntnis, dass Musik aus der vermeintlichen Dose ziemlich viel Tiefgang entwickeln kann. Herausragend – und zwar wirklich herausragend – sind die Übergänge zwischen den Tracks, die so unendlich smooth vonstatten gehen, dass man sich nicht satt hören kann.
Klar wird der Synthi immer noch mit den 80ern in Verbindung gebracht und klar hört man diese Einflüsse dieses Zeitalters auf Mercurial World. Magdalena Bay nimmt einen großen Teil des Sounds vergangener Tage und holt ihn ins Jahr 2021. Die Melodien die Mica und Matthew geschrieben haben, kann man nicht oft genug hören, sie fressen sich in die Ohren und selbst wenn man glaubt, auf einem Track hängen zu bleiben, kommt nur Sekunden später der nächste absolute Pop-Banger.
Synthi-Pop ist in den vergangenen Jahren wieder beliebt geworden, viele Bands konnten sich einen Namen und eine erfolgreiche Karriere aufbauen. Magdalena Bay vereint alle Einflüsse zu einem perfekt abgestimmten Trip, der nur ganz wenige Schwächen vorweisen kann. Wenn wir zunächst aber bei den Stärken bleiben, müssen wir über die Balance zwischen Synthi, dem Einsatz eines klassischen Pianos und Micas Gesang sprechen. Egal in welcher Atmosphäre, in welchem Song man sich gerade befindet, man findet unzählige Kleinigkeiten, die dem Gesamtwerk den nötigen Feinschliff verpasst. Dezente Klavierakkorde als letzter Anhaltspunkt einer normalen Welt, umrahmt von der Drummachine und den Synthis. Hie und da Streicher und Mica, die mit schwebeloser Leichtigkeit drüber singt.
Es sind vermeintliche Kleinigkeiten, die zu Großartigem beitragen. Unerwartete Tonartwechsel, Modulationen, die einzelnen Liedern das Prädikat Extraklasse verpassen. Dawning oft he Season dient hier etwa als Beispiel. Sie hätten die Modulation nicht vornehmen müssen – der Song funktioniert in der ursprünglichen Tonart schon perfekt – schaffen es dadurch aber, die letzten fünfundzwanzig Sekunden noch aufregender zu gestalten. Das Album ist verspielt, erinnert manchmal an Retro-Videospiele mit den verwendeten 8-Bit-Fetzen und schafft es dadurch, eben diese futuristische Stimmung zu transportieren.
Magdalena Bay will sich aber nicht auf den reinen Synthi-Pop beschränken, sondern kann auch die Gitarren auspacken. You Lose! vereint Gitarren mit 8-Bit-Fragmenten, Glockenspielen und einem generellen Chaos-Pegel, dass sich an manchem musikalischen Vorbild orientiert, aber nie in eine glatte Kopie abdriftet. In Something for 2 hört man immer wieder Charli XCX heraus, in Chaeri wird’s richtig abgedreht, da dröhnt alles, jedes Instrument, jede Software wird aufgedreht. Wenn man sich Pop im Jahr 2021 wünschen darf, soll er so klingen. Mutig, schonungslos, aufregend.
Um noch einmal auf die Übergänge zu kommen: Die Stimmungswechsel die man geliefert bekommt, sind unübertroffen. Hysterical Us groovt mit den Hörer:innen, dass man nicht mehr weiß wie man sich am besten bewegen soll. Dabei ist der Song so einfach aufgebaut, der Refrain besteht aus ein paar Klavierakkorden, die das Thema vorgeben. Prophecy könnte man fast als Ballade ansehen, zeigt zumindest eine neue Seite vom Duo. Follow The Leader sticht als einziger Song ein wenig negativ hervor, die Leichtigkeit vom restlichen Album findet sich hier nicht oder nur sehr spärlich. Ein Lied, das nicht so richtig weiß, in welche Richtung es will. Man zieht sich durch die drei Minuten, ohne ganz zufrieden zum nächsten Track abzureisen.
Zum Schluss warten mit Dreamcatching und The Beginning zwei absolute Bretter. Dreamcatching kann man wörtlich nehmen, so kann es klingen, wenn man Träume einfangen will. Zumindest keine ruhigen, sondern solche, die man genießt, weil sie weirden Shit beinhalten. The Beginning hingegen hat eine Disco-Melodie vom allerfeinsten, ein Klavierthema, das an größere Zeitalter erinnert (fast schon City Pop). Weil alles so perfekt abgestimmt ist, wird der Sound heruntergefahren und zum Loop in The End wieder gestartet. PER-FEKT.
FAZIT
An die Wucht mit der Mercurial World aufschlägt, könnten sich einige Hörer:innen erst gewöhnen müssen. Die Platte wächst und wächst, in den vierzehn Liedern gibt es viel zu viel zu entdecken. Viel fehlt nicht zum perfekten Album, ein paar Abstimmungsschwierigkeiten stehen der Höchstwertung noch im Weg. Aber dass Mercurial World zu den besten Pop-Platten des Jahres zählt, steht außer Frage. Ein Debüt, an das man sich erinnern wird.
4,5/5 Pandroids (9/10)
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.