© Bad Momz Records / Universal Music
Wer’s noch nicht mitbekommen hat: Frauen übernehmen das Rap-Game. Nach Shirin David legt jetzt Badmómzjay mit ihrem Debüt-Album Badmomz. nach. Darauf zeigt sie ihre Stärken aber auch noch einige Felder, in denen sie sich verbessern kann.
BACKGROUND
Aller Anfang ist Instagram. Über die sozialen Netzwerke konnte Badmómzjay erstmals auf sich aufmerksam machen, sie rappte über bekannte Beats ihre eigenen Texte. Mit durchaus beeindruckendem Flow, sodass es nicht lange dauerte, bis die großen Labels auf die Berlinerin aufmerksam wurden. Mit gerade einmal 17 Jahren schloss sie einen Vertrag bei Universal ab und brachte erste Singles samt aufwendigen Musikvideos heraus. Immer wenn eine Karriere in dieser Form startet, hört man es aus den Gassen hallen: „INDUSTRY-PLANT!“. Diesen Vorwurf muss man insofern entkräften, als Badmómzjay es selbst war, die sich Reichweite aufbaute und dementsprechend spannend für Musikverlage wurde. Universal macht nur einen guten Job und unterstützt die junge Künstlerin wo es nur geht.
Die Streaming-Zahlen gingen durch die Decke, zusammen mit Kasimir1441 &Wildboys verbrachte sie Anfang des Jahres gleich vier Wochen auf Platz 1 der deutschen Charts mit der Single Ohne Dich. Vergangenes Jahr erschien die erste 18, in diesem Jahr wurde sie als Best German Act bei den MTV European Music Awards ausgezeichnet. Jordy – so der bürgerliche Name – wuchs bilingual auf, switcht gerne zwischen deutsch und englisch und setzt sich – auch in ihren Texten – lautstark für die LGBTQ-Community ein. Selbst outete sie sich vor einigen Jahren als bisexuell, was in der Deutschrap-Szene immer noch als Novum angesehen werden musste. Ihre Attitüde wurde von Cardi B oder Nicki Minaj beeinflusst, die roten Haare und extralangen Fingernägel zum Markenzeichen. Trotz ihres jungen Alters scheut sie nicht davor zurück, die Szene auseinanderlegen zu wollen.
REVIEW
Von dieser Übernahme-Mentalität kann man sich schon im Opener badmomz. überzeugen.
Top-lit schon vor dem Record-Deal (Record)
Top-drei von allen Rappern hier (Mhm)
Top-zwei in Sachen Sexappeal
Nach diesem Jahr bin ich die Beste hier (Ja)
Die Souveränität, mit der sich Jordy durch den Beat rappt, ist beachtlich, ihr Skillset für eine große Rap-Karriere gemacht. Sie kann rappen und singen, sie weiß, wie sie mit den Instrumentals spielen muss. Die Beats dieses Albums stammen hauptsächlich von Jumpa, der damit ebenfalls eine bemerkenswerte Talentprobe abgibt. Ihre Texte schreibt sie selbst bzw. mit Unterstützung von Takt32, der sie seit frühen Tagen begleitet.
Auf Don’t Play Me zerlegt sie einen orientalisch-angehauchten Beat, ein Brett von einem Song, der auf ein gelungenes Debüt hinweist. Tu Nicht So sorgte insofern für Kontroversen, als dass es für den Soundtrack der neuen Fußballsimulation FIFA 22 ausgewählt wurde. Nicht jeder Zocker war mit der Auswahl zufrieden, einige wollten gar das Spiel boykottieren. Auf Grund der katastrophalen jährlichen Performance von EA sollten andere Punkte ausschlaggebend für einen Boykott sein, als dieser Song. Gut, wirklich mithalten mit den ersten beiden Tracks kann Tu Nicht So nicht. Viel mehr erinnert er an Loredana – und zwar an die übliche Stangenware-Tracks. Fürs Radio sollt es sich ausgehen, textlich merkt man auf solchen Nummern ihr junges Alter. Soll nicht despektierlich klingen, Teenager sollen und dürfen sich natürlich auch mal auskotzen können.
Von diesen verhältnismäßig seichten Klängen verabschiedet sich Jordy sofort wieder. In „Hahaha“ bounct der Beat, der Bass fliegt den Hörer:innen ordentlich um die Ohren. Voller Angriff nach vorne:
Diese Hoes machen erst einen auf classy
Hören Nicki und auf einmal sind sie nasty
Mehr Imagewechsel als Miley Cyrus
und wundern sich, wo der Respekt ist
Das nächste Brett.
Manchmal ist sie genervt, vor allem von den ständigen Fragen nach ihrer Sexualität:
Liebt die Olle jetzt Typen oder liebt sie lieber Frauen?
Das behandelt sie Mal Mehr Mal Weniger, das sich an Jennifer Lopez‘ Jenny from the Block orientiert. Geht ordentlich rein, die letzte Prise Divergenz fehlt aber, um es zu einem perfekten Song deklarieren zu können.
Den bekommt man dafür schon wenige Sekunden später: Bei Ich Mag passt alles zusammen, das Feature von Takt32 gliedert sich perfekt ein, Jordy teilt aus (Mag, wenn du dich selbst liebst / ohne dass du Angst hast / Und mag paar Schellen für jeden homophoben Bastard). Der Beat darf eingerahmt werden und für zukünftige Battle-Rap-Runden herausgeholt werden.
Von ihren stimmlichen Talenten kann man sich in Weißt Du Wer Ich Bin ein Bild machen. Badmómzjay geht es ruhiger an, sie singt satte 3:49 Minuten, was sich aber definitiv nicht so lange anfühlt. Ein persönlicher Track, der auch andere Facetten der 19-Jährigen hervorhebt.
Mit Checkst Du?! starten wir in den kleinen Durschnittsteil von Badmomz. Ein solider Trap-Track mit den explizitesten Lyrics des Albums (Glaub’ mir, wenn ich könnt’ / hätt’ ich mich lang’ schon selber geleckt). Das anschließende Zimmer Allein hat durchaus Potential zu einem Mainstream-Sleeper-Hit zu werden. Das liegt zum einen an dem unglaublich eingängigen – weil schon sehr oft gehörten – Thema, das sich durchzieht und Maroon 5 stolz machen würde, als auch Jordys Vortrag, die offenbar an den Radiohits von Sido gefallen findet. Inhaltlich einer der persönlichsten Songs des Albums, musikalisch eben für die breite Masse gemacht mit Ohrwurm-Potential, aber sehr gewöhnungsbedürftigem Bass.
Sterne Unterm Dach führt die persönlichen Texte weiter. Wieder sehr solide Rap-Performance, nicht mehr und nicht weniger. Die Clubs zerreißen könnte Golden Dolls, das sie zusammen mit Bounty & Cocoa aufgenommen hat. Eine Hommage an die 2000er, wie sehr vieles auf diesem Album. Die Combo besteht den Test, alle drei Rapperinnen heizen ordentlich ein, spielen mit ihren sexuellen Vorlieben und wohl auch mit einigen Fantasien. Diese führt sie dann auch in Freak weiter. Die Temperaturen steigen, der gewählte Beat funktioniert perfekt mit Jordys Vortrag.
Eine weitere neue Seite präsentiert Badmómzjay schließlich in …, in dem sie sehr sachte und verletzlich eine intime Geschichte erzählt. Hierbei handelt es sich um den reduziertesten Song dieses Albums, dennoch kann er im Pulk zwischen Club-Nummern und Bangern bestehen. Jordy schließt das Album mit Struggle Is Where We From, auf dem sie noch einmal zum Rundumschlag ausholt (Was weißt du von Downs? Was weißt du von Depression’n?
Was weißt du von hier / Wo du als Frau immer dreimal mehr geben musst?).
FAZIT
Badmomz. überzeugt, wenn auch nicht auf durchgängig starkem Niveau wie wir es jüngst bei Bitches Brauchen Rap von Shirin David gehört haben. Dennoch kann man Badmómzjay ohne schlechtes Gewissen eine große Karriere vorhersagen. Die ersten Weichen sind gestellt, wenn sie lyrisch noch den nächsten Schritt geht, kann man sich auf einiges gefasst machen.
4/5 Pandroids (acht von zehn)
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.