© L’Equipe | Epic Records | Sony
Vorhang auf für “Abgehört” – dem Format in dem wir uns die zwanzig interessantesten oder auffälligsten Tracks der Woche näher ansehen.
Glasperlenspiel & Harris & Ford – Deine Mama (Madizin Mix)
Ein absoluter Graus, der Remix macht die ursprüngliche Version nicht besser. Text unterirdisch, die Bläser, der Beat und Vortrag liebloser als Australiens Umgang mit Novak Djokovic. In beiden Fällen gilt: selbst schuld kein Mitleid. Ballermann-Sound mit Hinweis, dass Karma unweigerlich zurückschlagen wird. Kann man Glasperlenspiel in diesem Fall nicht wünschen, sonst wird’s ziemlich übel ausgehen für das Duo.
GZUZ, RAF Camora & Luciano – Alles Black
GZUZ hat ein neues Album rausgebracht und natürlich auch eine Single mit RAF Camora und Luciano parat. Fühlt sich mehr nach Sound von RAF an, alles schon gehört, alles schon gesehen. Hat sich der Sound abgenützt? Ja, diese Form des Deutschraps pfeift langsam aber sich auf dem letzten Loch. Noch will man nicht ganz dran glauben, dass der Palmen-Plastik-Sound sich ins out manövriert – aber denkt an Pokemon Go…da ging’s auch ganz schnell.
Badchieff, Edo Saiya & Cro – Ich liebe … (feat. MAJAN)
Was hat die Welt gebraucht? Eine Klavierballade. Eine Klavierrapballade. Mit gepitchten Stimmen, Gefühlsduseleien, den großen Lebensfragen und Philosophien. Ein Verlieren ist woanders ein Gewinn / Doch ein Woanders ist noch immer viel zu weit von uns entfernt. Wem das noch nicht genug ist, dem gibt Häuslebauer Cro noch einen Rat mit auf den Weg mit: Liebe braucht kein Baumhaus / braucht keine Traumfrauen. Eh ganz nett, aber halt auch nichts, was man sich unbedingt anhören muss. Zumal es mit Bausa schon einen Künstler gibt, der diesen soft-weichgepitchten Sound perfektioniert hat.
Scorpions – Rock Believer
Klaus Meine und Rudolf Schenker sind 73 Jahre alt! Trotzdem wollen die Mauereinreißer weiterhin die Bühnen der Welt rocken und sich und ihren Fans treu bleiben. Für Rock Believer – der Leadsingle ihres Ende Februar erscheinenden gleichnamigen Albums – hat man sich mit James Kottak den ehemaligen Drummer von Motörhead eingekauft. Am Schlagzeug liegts nur zum Teil, dass dieser Song wie eine schlechte Kopie von Wolfgang Petry-Instrumentals klingt. Riffs, die Vokuila tragen. Aber Klaus Meine kann immer noch singen!
The Game & Kanye West – Eazy
Oh boy, Kanye. Das Cover allein lässt schon schlimmes vermuten, aber der Reihe nach. Produktion, wie immer wenn Mike Dean seine Finger im Spiel hat, fantastisch. Das für die Hook gewählte Sample von Michel’le – perfekt. The Games Part: perfekt. Hungrig, gute Lyrics, hat was zu sagen, weiß es umzusetzen. Und dann Kanye in seiner ehrlichsten Form: es ist ihm einfach scheißegal. Flow – irgendwas, Text – massiv cringe, spätestens wenn er Pete Davidson auf Grund der Beziehung zu Kim Kardashian vermöbeln will. Apropos Kim: Kanye beteuert die beste aller Scheidungen zu haben. Fühlt sich alles nicht gut an. Mit einem Kanye in Normalform, wäre Eazy ein echter Banger. So ist das einzige was bangt, Pete Davidson.
Joey Bada$$ – THE REV3NGE
Es ist so weit. Joey Bada$$ verkauft sich. Genug vom heißgeliebten Nischenrap, der endgültige Mainstream-Erfolg soll jetzt endlich kommen. Also muss der Sound offenbar zwanghaft neu erfunden werden und sowas wie THE REV3NGE rauskommen. Madden-Spieler oder Cuter für diverse Highlight-Clips ihres Lieblings-Footballspielers werden diesen Song lieben. Fans der ersten Stunde hingegen verteufeln. Viel hört man nicht mehr vom einstigen Wunderkind, das mit seinem Debüt 1999 Köpfe zum Platzen brachte. Aber ganz so übel ist der Song auch nicht. Es ist eben ein neuer Ansatz, den Joey mit ordentlich Bläsern einläuten möchte.
Alvaro Soler & David Bisal – A Contracorriente
Der jährliche Alvaro Soler-ich-mach-eh-alles-gleich-wie-immer-aber-keiner-merkts-Sommerhit wird dieses Jahr schon sehr früh aus der Schublade geholt. Ein Duett mit David Bisal, ein Lied wie eh und je. Was er singt ist nebensächlich, spanisch rockt. Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass er mal mit J-Lo gesungen hat. Influencerinnen werden es lieben, die ersten warmen Sonnenstrahlen werden mit diesem Song untermalt und Weisheiten wie „Ach Sonne, ich hab dich soooo vermisst“ geteilt werden.
DJ JEEZY – Andale (feat. Badmomzjay, Bausa & KALIM)
Na los jetzt, auf geht’s. DJ Jeezy holt sich für Andale Badmomzjay, Bausa und Kalim zur Unterstützung für seinen sehr minimalistischen aber eh ganz okayen Beat. Badmomz zerflext ihre Strophe, sie zeigt sich derzeit in echter Erling Haaland-Topform. Bausa erfindet sich nicht neu, bisschen Dope, bisschen Whiskey und ANDALE, ANDALE. Kalim – ja ok, labert was von Sex in Arabien und Bitcoins. Eh komplett egal um was es geht. Sound für den Algorithmus und Spotify-Playlisten.
The Streets – Wrong Answers Only (feat. Master Peace)
Mike Skinner und seine Streets tun sich mit Master Peace zusammen und das klingt anständig. Melodische Strophe die unterbrochen wird von ziemlich schrillen Beats. Aber das geht alles in Ordnung. Dann kommt die Line auf die man wartete, ohne jemals danach gefragt zu haben: I am a god / I can turn wine into vomit. Aber auch: When you die of cancer / the cancer dies too. Das ist so schräg, dass man es feiern muss.
Esther Graf – Letzte Mail
Ist das schon Mathea oder noch Esther Graf? Was haben beide gemeinsam? Man hört absolut nichts mehr von ihren Salzburger- bzw. kärntnerischen Wurzeln. Esther schafft es mit Letzte Mail, dass sichein 2:48 Minuten-Song wie eine Wagner-Oper anfühlt. Pop von seiner seichteren Seite, was soll’s. Ist ein Ohrwurm, wie alles was sie in letzter Zeit gemacht hat.
Avril Lavigne – Love It When You Hate Me
Bitte Travis Barker, bitte verkack es nicht. Avrils zweite Single aus dem kommenden Album Love Sux wurde natürlich wieder vom neuesten Kardashian-Clan-Mitglied produziert und wird bei jedem Endzwanziger sofort zum Guilty Pleasure. Pop-Punk können Avril und Travis einfach, das muss man vor allem ihm lassen. Die Strophe von blackbear fällt vor allem ob des dürftigen, sehr einfach gestrickten Textes auf – aber egal. Travis, verkack das Album nicht und mach die Songs länger. 2:25 Minuten direkt zurück in die Pubertät.
FKA twigs – jealousy (feat. rema)
Dem neuen Mixtape von FKA twigs werden wir uns noch ausführlich widmen, dieser Song wurde als neue Single ausgewählt. Zusammen mit dem nigerianischen Rapper rema (ein weiterer Stangewaren-Rapper) wird die Eifersucht behandelt. Die Kombination aus twigs und ihren verschiedenen Gesangseinlagen und dem Auto-Tune-Rap remas hinterlässt wenig Spuren der Verwüstung. Neudeutsch würde man von einem guten Vibe zwischen den beiden sprechen, die dadurch auch für den richtigen Vibe beim Publikum sorgen.
Stromae – L’enfer
HEY, HEY, HEY, HEY! Ein Chor wie aus König der Löwen zum Aufwachen, Stromae übernimmt er Sprechgesang über Klavier, ehe Percussion einsetzt. Um die Hörer:innen nicht auf die Idee eines ruhigen Songs kommen zu lassen, packt er dann die elektronischen Elemente aus, wunderbar in einen la-la-la-la-Chor eingebettet. Irgendein Heißl wird diesen Song wieder mit einem Remix verschandeln. Leider. Hört das Original, solange es noch nicht cool ist.
The Lumineers – WHERE WE ARE
Die Lumineers sind wieder da, ein neues Album erschien am vergangenen Freitag. Where We Are wird schnell Einzug in Playlists diverser Irish Pubs rund um den Globus finden. Man kann mit dem Klavier und der Gitarre schunkeln und sich in die Ferne wünschen. Muss ja nicht Arizona sein, wie es uns der Sänger erklärt. Dieser Song tut niemanden weh, hat aber auch nicht die ganz große Explosion zu bieten. Eher so James Blunt trifft Mumford & Sons.
Jack White – Love Is Selfish
Dödödödödödööööödööööö, dödödödödödööööödööööö. Achso, das gehört der Vergangenheit an. Jack White zeigt seine folkloristischste Seite. Gitarre, Stimme, irgendwo im verrauchten Kämmerlein aufgenommen und fertig ist der neueste Straßen-Allee-Hauer. Eigentlich klingt er ein bisschen wie Mick Jagger und überhaupt ist Love Is Selfish auf Grund seiner perfekten kleinen Ungenauigkeiten ein ziemlich wunderschöner Song.
Apsilon – Köfte
Die neue EP von Apsilon wird in den kommenden Tagen hier seziert. Köfte ist von vorne bis hinten hervorragendes Storytelling über eine typisch-bittere Migranten-Familiengeschichte. Apsilon baut den Song in zwei Teilen auf, switcht den Beat zur Hälfte, verliert aber nie seine Klarheit. Ein Lied wie eine Anklage, genau zur richtigen Zeit.
Fourtunez – Steeze
Vor wenigen Tagen als dritte Single veröffentlicht, zeigt die Osttiroler Band Fourtunez mit Steeze die gesamte Bandbreite ihres Könnens. Bluesrock der nicht langweilig wird und sich mit vier Minuten Laufdauer auch ordentlich Zeit und Raum zur Entwicklung feiner Klänge gibt. Bass-Solo inklusive. Bass-Solo! Fresh!
Cordae – Chronicles (feat. H.E.R. & Lil Durk)
Auch auf das neue Album von Cordae wird noch eingegangen werden. Chronicles könnte auch von Aminé stammen, Cordae klingt ihm hier sehr ähnlich. Sehr ansteckend, H.E.R. mit gewohnt starker Leistung, auch wenn man sich zunächst nicht ganz sicher ist, ob da auch alles auf den Takt ist. Lil Durk hält auch mit. Ziemlich gemütlicher melodischer Sing-Rap.
Iliona – Si tu m’aimes demain
Nach Stromae der zweite belgische Beitrag in dieser Woche. Die junge Sängerin liefert mit Si tu m’aimes demain ein eingängiges Chanson ab, in das man sich von Beginn an hineinlegen kann und das man schon als Opener des nächsten Jean Reno-Familienfilms bildlich sieht. Zum Wohlfühlen fein!
JID – Surround Sound (feat. 21 Savage & Baby Tate)
Bleibt noch die Combo aus JID, 21 Savage und Baby Tate. Alles wird zerrissen, JID hat derzeit den vermutlich vielseitigsten und wandelbarsten Flow im gesamten Rapgame. Aretha Franklin sorgt für die Hook, 21 für eine seiner gewohnt soliden Strophen. Baby Tate bekommt nur eine kleine Bridge (was bedauerlich ist), ehe der Track sich gänzlich neu erfindet, das Sample verlangsamt wird. Von vorne bis hinten einfach nur Feuer. Ein erster Banger des neuen Jahres.
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.