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OSKA – MY WORLD, MY LOVE, PARIS

© NETTWERK

GENRE: Pop

Pop aus Österreich der einmal mehr beweist, dass sich heimische Künstler nicht verstecken müssen. Die junge Wiener Sängerin OSKA gibt mit My World, My Love, Paris ein eindrucksvolles Debüt ab.

BACKGROUND

Sie zählt seit einigen Jahren schon zu den heißesten Musikaktien des Landes: Maria Burger aka OSKA. Schon 2020 begeisterte sie uns mit ihrer Single Somebody, die wir dann auch gleich auf Platz 65 unserer Top Songs des Jahres 2020 platzierten. Dass es sich hierbei um keine Eintagsfliege handelte, wurde in den folgenden Monaten bestätigt. OSKA veröffentlichte sukzessive neue Lieder – auch den Lockdowns geschuldet – und beeindruckte durch ihr Gespür für humoristisch-aufrichtige Lyrics und der Fähigkeit diese in wunderbar umarmende Melodien zu verpacken.

Aufgewachsen im Waldviertel, wuchs OSKA mit vier älteren Geschwistern auf und bekam die Musik praktisch in die Wiege gelegt. Ihre Mutter, selbst Musikerin, beeinflusste OSKA maßgeblich – das Gitarrenpiel brachte sie sich aber im Jugendalter selbst bei. Vergangenes Jahr erschien die erste EP, nun folgte das erste Album.

Das Hype-Level meinerseits stieg spätestens nach der letzten Auskopplung Mona Lisa, a girl’s best friend in ordentliche Höhen. Viele vergleichen OSKA mit Phoebe Bridgers ­oder gar mit Adrianne Lenker – die auch beide als großer Einfluss der 24-Jährigen gelten – also mit zwei absoluten Gigantinnen des Songschreibens unserer Tage. Und tatsächlich lassen sich auf den zwölf Tracks durchaus einige Parallelen erkennen.

REVIEW

Wobei man natürlich nicht zwingend einen Vergleich ziehen muss – und wenn, dann am ehesten noch mit Holly Humberstone. My World, My Love, Paris besticht durch seine Roh- aber auch Klarheit. OSKA begrüßt uns mit Too Nobody, einem Song über die Frage, wer sich überhaupt noch um Songs kümmert. Was Klangbanausen als seicht abkanzeln würden, stellt sich bei genauerem Hören als äußerst feiner Sound mit vielen verschiedenen Ebenen und Elementen heraus. Streicher, Keyboard, Percussion machen eine ganz leichte Scheibe aus dem Opener.

Im titelgebenden Track My World, My Love, Paris wird nicht nur Edith Piaf zitiert, sondern auch beschworen, dass man sich in den Armen des Partners am wohlsten fühlt. Und dann wiederholt OSKA Mantra artig, dass man etwas daraus machen hätte können (wish we made something / We should have made something with this) – aus dem vermeintlichen Liebessong wird so ein tiefergehender Track über die Vergänglichkeit des Lebens und das sicher kommende Ende (Is this you asking me Will it be like falling asleep?). Aber keine Sorge My World, My Love, Paris ist kein von deprimierenden Stimmungen aufgeblasenes Lied, sondern das genaue Gegenteil: Fröhlich und freundlich, was sowohl an der im Refrain verwendeten Flöte als auch an den abermals wunderbar eingesetzten Streichern liegt. Würde Phoebe so einen Song schreiben? Möglich.

Auch in der Simplizität überzeugt OSKA: Responsibility hat zunächst nicht mehr als ein paar gezupfte Gitarrenakkorde zu bieten, ehe sich der Song mit den Streichern wieder ordentliche Tiefe hinzukommenlässt und mit einfacher Percussion und dezentem Klavier die Botschaft übermittelt: Übernimm Verantwortung, du sitzt am Lenkrad, die Bremsen sind unter dir. Diese auch zu benützen und kürzer zu treten, soll verstanden werden – vor allem in einer Welt, in der nur beschleunigt wird.

Dass sich dieses Album nicht unbedingt um klassische Liebesbeziehungen handelt, wird auch auf Mona Lisa, a girl’s best friend deutlich. OSKA scheint über die Beziehung zu ihrer Mutter zu singen, über die gemeinsamen Tage, auch um die Sorge oder den Umgang mit dem Tod der ersten und besten Freundin. Und es gibt eben nichts und niemanden, den man mit seiner Mutter vergleichen kann. Die Stärke dieses Albums bezieht sich auf eben solche Songs. Radiotauglich, angenehm und auf den ersten Blick nicht weiter fordernd, tun sich massive Tiefen auf, mit durchdachten Lyrics und verspieltem Sound.

Misunderstood ist einer jener Songs, die stark an Holly Humberstone erinnern und dementsprechend auch aus der Feder der jungen Britin stammen könnte. Oder doch von Phoebe? Die Streicher machen die Musik, OSKA gibt sich wieder ihren Grübeleien hin, muss einen Umgang mit einer Krankheit einer Bezugsperson finden. Weniger ist mehr, das weiß sie musikalisch umzusetzen.

Um wieder ein bisschen aufbauender und optimistischer an die Sache heranzugehen, beglückt uns OSKA mit Starstruck, einer wunderbaren Folk-Liebesnummer, die im Refrain auf die Dienste einer Mundharmonika zurückgreift und vom ersten Moment an nichts Geringeres als die absolut größte Freude verbreitet. Wenn es einen Wohlfühlsong dieser Tage braucht und gibt – hier ist er. Diese Stimmung wird auch ins darauffolgende Woodstock mitgenommen, es werden Akkorde zerlegt, mehrstimmiger Gesang eingesetzt und Momente am Rücksitz dieses „dummen alten Autos“ besungen. Und an Woodstock und all die damit verbundenen Symbole und Lebenseinstellungen gedacht. Freiheit und Liebe, die auch wieder vergehen kann.

In Lousy T-Shirt ist’s dann nämlich schon wieder vorbei mit der Liebe. OSKA wurde verlassen und rekapituliert die Beziehung. Toxisch würde man das wohl nennen. Der Refrain wird sich ins Hirn einbrennen und es längere Zeit nicht verlassen, das ist so sicher, wie OSKAS Annahme, dass ihr Ex mittlerweile mit einer neuen schläft, weil er nicht allein sein kann.

And all I ever wanted was everything with you / And if I had the courage you would know it too – unmissverständlich schüttet sie uns ihr Herz im ruhigen und treffenden Crooked Teeth ihr Herz aus. Der Aufbau des Albums mit verschiedenen, aber zusammenhängenden Themenblöcken passt perfekt, die gewählten Stimmungen und Arrangements zeigen das Talent der Sängerin. Auch wenn Crooked Teeth mit 3:47 Minuten den längsten Song von My World, My Love, Paris darstellt, merkt man nichts von dieser Länge. Leicht, wie eh und je gleiten wir durch den Herzschmerz.

Irgendwann wird es auch einmal Zeit, dass das Klavier eine größere Rolle spielen darf. In ABC wird OSKA vom Piano begleitet und erzählt von einer Dreiecksbeziehung: When A loves C what about B? / What about B? Will B be happy again? Ganz feine Wortspiele entstehen und langsam versteht man dann auch den Adrianne Lenker-Vergleich.

Mehrstimmigkeiten im Sinne von Papermoon begegnen uns in Helplessly Hoping. Folk mit all seinen Stärken und Instrumenten und OSKA wieder mit Lyrics die ganz fein treffen: They are one person / They are two alone / They are three together / They are for each other. Wie schon oft gesagt – es muss nicht immer viel passieren, damit was weitergeht.

Den Abschluss von My World, My Love, Paris bildet Hallucinating und das ist gar nicht mal so lustig. Ein Albtraum folgt dem Nächsten, ehe sich doch noch alles halbwegs versöhnlich auflöst. OSKA untermalt ihre Gedanken mit Streichern, lässt sie zupfen, spielt mit den Tempi, baut so noch mehr Stimmung auf. Um mit der Frage zu schließen: Would you hallucinate a little longer with me? Die Antwort darauf dürfte leicht fallen und klar sein.

FAZIT

Das fantastische an My World, My Love, Paris: Sowohl Fans von eingängiger, leicht zu verarbeitender Musik als auch echte Lyric- und Storynerds werden großen Gefallen an der Platte finden. OSKA gibt keine Talentprobe mehr ab, sie bestätigt die Lorbeeren, die sie in den vergangenen Monaten bekommen hat mit Bravour und darf deshalb auch definitiv als großer Stern der österreichischen Musikszene angesehen werden. My World, My Love, Paris ist ein Album von internationalem Kaliber und sollte den endgültigen Beginn einer großen Karriere einläuten.

8,0/10

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