© Soda. Mit Himbeer Records
Genre: Synthie, Indie
Wie gewohnt dröhnen auch auf dem Debütalbum Inbetween der österreichischen Band Another Vision die Synthis. Der Spagat zwischen Retro und Moderne gelingt eindrucksvoll.
BACKRGROUND
Die beiden Tiroler Musiker Moritz Kristmann und Michael Schmücking lernten sich in Wien kennen und treten seit 2015 unter dem Namen Another Vision auf. Was zunächst noch als Projekt mit starkem Hang zu gitarrenlastiger Musik begann, entwickelte sich sehr rasch zum Experiment mit analogen und digitalen Synthis, die von nun an den Sound des Duos dominieren sollten. Nach der eindrucksvollen Debüt-EP Stranger aus dem Jahr 2017 und dem Nachfolger Off the Leash von 2019, arbeitete die Band in den Pandemiejahren am ersten Debüt-Album, das nun endlich den Weg an die Öffentlichkeit gefunden hat.
Inbetween steht für die räumliche Trennung zwischen Wien und Innsbruck aber auch für den Spagat zwischen Partyleben und Sesshaftwerdung. Auf zwölf Songs und in 37 Minuten wird diese Diskrepanz beschrieben.
REVIEW
Wer Musik der Band schon kennt, wird die für sie so typischen Soundelemente sehr schnell auch auf Inbetween wiedererkennen. Ein verträumter, ja auch abgespacter Synthi begrüßt uns im Opener Rieger, der alsbald von einem dominanten Thema abgelöst wird und schlussendlich im Zusammenspiel zwischen Synthi und Gitarre gipfelt. Rieger hat durchaus mehr Rockelemente als andere Songs von Another Vision, fällt durch ein stockendes aber perfekt intoniertes Riff auf, das mit den Drums, Synthis und feinen Backup-Vocals eine angenehme Tiefe erschafft. Rieger zählt schon zu den absoluten Highlights dieses Albums und kann auch eine gewisse musikalische Weiterentwicklung erkennen lassen.
Zurück zu den ursprünglichen Klängen wechseln sie im folgenden Track Happier, wo der Synthi wieder schrill pfeifen darf und trotzdem auch das ein oder andere Tame Imapala-Stilelement wiederentdeckt werden kann. Happier träumt auch vor sich hin, gilt als Lieblingssong der Band, hat aber – im Gegensatz zu anderen Songs der Platte – nur wenig überraschende Momente (was nichts Schlechtes bedeutet). Der Aufbau ist stringent, alle Instrumente dürfen sich Raum verschaffen und in den jeweiligen Abschnitten eine Hauptrolle spielen.
Inbetween ist zudem einfach ziemlich großartig produziert. Die Balance stimmt in sämtlichen Songs, die Mischung aus analogen und digitalen Elementen stark getroffen. Die Übergänge, beispielsweise jener aus dem ultraentspannenten und ganz feinen kurzen Instrumental seis zu Swipin und den peitschenden Drums samt reduzierter und trotzdem dominierender Gitarre, geschehen reibungslos. Swipin kann mit seinem Wachstum überzeugen, gibt sich zunächst mit wenigen Mitteln zufrieden, bis der Synthi den Refrain durcheinanderwirbelt und den Song nicht mehr verlässt. Der Bass darf hier auch herausgestrichen werden, er bildet mit Gitarre und Drums eine makellose Symbiose und treibt das Lied nach vorne.
Viele durchschnittliche Momente wird man auf Inbetween nicht finden und wenn, dann handelt es sich um überdurchschnittliche, aber trotzdem erwartbare Momente. Control erfindet das Rad nicht neu und man merkt anhand der weiteren Entwicklung, dass es sich hierbei um den ersten Track für das Debütalbum gehandelt hat. Moritz und Michael dürften damals in einer kleinen Endlosschleife gefangen gewesen sein, zu sehr orientiert sich dieser Song noch am Material vergangener Tage. Aber – sie sind bekanntlich aus dieser Spirale ausgebrochen.
In unsere Top 100 Songs schaffte es Heartbeat (Platz 75) vergangenes Jahr und auch im neuen Kalenderjahr wird der Song nicht schlechter. Der Synthi bleibt der King, die stetige Steigerung ihres Sounds, der fantastische Aufbau mit Höhepunkt kurz vor Ende zeichnen diesen Track aus. Wieder passt das Zusammenspiel aus Synthis und Gitarre – aber auch dem Gesang von Moritz, den man dann auch erwähnen sollte. Auf Inbetween gibt es keine großen Gesangsparts im Sinne von verausgabenden Phrasen – viel mehr wissen die beiden wie sie ihre Fähigkeiten einsetzen müssen, um die notwendige Atmosphäre kreieren zu können. Manchmal schlägt er mit einer Lässigkeit eines Alex Turner auf, mal wieder ein bisschen zurückhaltender.
Davon merkt man in Mon Amour nichts, dem wohl experimentellsten oder zumindest untypischsten Another Vision-Song. Hier wird richtig lebensbejahend zum Tanz aufgefordert, mit feinem Gitarresample und einem Drive, der nur nach vorne drängt. Man wird sich sehr schnell in diesen Song verlieben und ihn lange nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Wieder kann man den Synthi dezent beim Wachsen zuhören und sich in dessen tiefe Lage hineinlegen.
Um dem Synthi auch die nötige Ehre zu erweisen, betiteln sie Track acht auch einfach nach dem legendären Synthi Juno der, wenig überraschend, auch sämtliche Arbeit in diesem Song übernimmt. Hier sind wir wieder sehr nahe an Tame Impala, man kann absolut nichts finden, was man kritisieren könnte. Ein perfekter Synthi-Track, der dem Portfolio Another Visions nicht nur guttut, sondern auch mehr als gerecht wird.
Klar finden sich hie und da starke Parallelen zwischen den einzelnen Tracks, trotzdem wird immer auf eine gewisse Eigenständigkeit geachtet. Game for Anything trifft Punkte der Harmonie und damit auch wieder Triggerstellen für den nächsten Ohrwurm. Die Gier nach Rastlosigkeit und der permanente Antrieb nach vorne, zeichnet sowohl Album als auch Band aus. Da muss man sich dann auch nicht neu erfinden – weder textlich noch musikalisch – um dafür zu sorgen, dass man sich bewegen möchte, dass man da ganz nah dran bleiben will.
Hilber, der zweite kurze, rein instrumentale Track von Inbetween beendet den klassischen Synthi-Rock-Teil des Albums, ehe mit Head in the Clouds der wohl popigste Song der Platte folgt. Ein Sommertrack, der Fans schon einige Monate begleitet. Es fällt sehr schwer, etwaige schlechte Laune aufrecht zu halten, viel mehr darf dieser Song als Winter-Depressions-Abschüttler verstanden werden, der die ersten warmen Sonnestrahlen musikalisch symbolisieren kann. Vielleicht passt er nicht ganz auf das Album, dafür gilt er als Beweis, dass sich das Duo auch für noch eingängigere Wege öffnen und diese auch bewältigen kann.
Den Closer gibt Like Me, der doch noch einen ordentlichen Kontrast zum gerade gehörten Track Head in the Clouds darstellt. Zunächst mysteriös, löst sich die vermeintlich düstere Stimmung recht schnell in eine angenehm verspielt-ernste Atmosphäre auf. Dieser Song fällt aber auch dadurch auf, dass er nicht so streng und stringent nach vorne drängt als alle anderen. Muss er aber auch nicht, mit so einem Closer darf man und kann man fein zur Ruhe kommen.
FAZIT
Another Vision trifft mit Inbetween den Zeitgeist, vor allem auch, weil sie sich dem Synthi schon seit Jahren verschrieben und ihren eigenen Sound hinterfragt und weiterentwickelt haben. Die 37 Minuten vergehen wie im Flug, der Hörer gleitet von einem zum nächsten Song in einem Guss und wird trotz der Rastlosigkeit und der hohen Pace nicht erschlagen. Inbetween als Talentprobe zu bezeichnen, wäre an Understatement nicht mehr zu überbieten. Vielmehr handelt es sich um ein perfekt arrangiertes und produziertes Synthi-Feuerwerk, das noch lange nachklingt.
8,5/10
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.