© Maschin Records
Genre: Indie-Pop
Österreichs großer Pop-Stolz hat sein siebtes Studioalbum veröffentlicht. Darauf geht Bilderbuch neue Wege, die mitunter in kleinen Sackgassen enden.
REVIEW
Prinzipiell ist es mit Musik aus Österreich ziemlich einfach: Entweder man findet‘s oasch oder man findet’s geil. Anhand der oberösterreichischen Band Bilderbuch, können Nichtösterreicher sehr viel über Österreich lernen. „Des is ma ois zu soft, heast kennan de ned wos gscheids spün?“ – „Des is es beste seit Falco und da Maurice is a Feschak“. Man kann es eben nicht jedem recht machen.
Dabei hat Bilderbuch in ihrer bisherigen Karriere fast alles richtig gemacht. Nach dem Start als Schülerband in britischen Indie-Gefliden, starteten sie 2015 mit ihrem dritten Album Schick Schock richtig durch, erfanden sich darauf neu und zeigten der Provinz den doppelten Mittelfinger. Globaler, groß denkender und noch größer anmutender Pop aus Österreich, gemacht für die Welt und mit hundertprozentiger Fuck-Off-Attitüde. Bilderbuch wurden zu den coolsten Socken des Landes und stiegen seitdem zur wohl größten zeitgenössischen Band Österreichs auf. Bisschen Hip-Hop, bisschen Indie, viel Denglisch und eine Portion Sex definierten die Phase von 2015 bis 2019, die insgesamt vier Alben umfasste.
Jetzt ist wieder was passiert, jetzt ist wieder alles ein bisschen anders. Gelb ist das Feld, das siebte Album, würfelt die bisher bekannten Muster der Band durcheinander. Klar, der Nonsense-Albumtitel ist noch geblieben, sonst finden sich aber nicht mehr allzu viele Merkmale aus vergangenen Tagen. Eine Stunde lang und auf 14 Tracks, können wir uns mit dieser Neuausrichtung anfreunden – oder auch nicht.
REVIEW
Bis das Album da war, wurden gleich sechs Songs als Singleauskopplungen vorab veröffentlicht. Nahuel Huapi gab den Anfang. Ein Lied, dass noch die ein oder andere bekannte Bilderbuch-Facette mitbringt aber trotzdem schon wegen seines textlichen Inhalts auffällt. Du und ich singt Maurice immer wieder, es geht um ein „wir“ und noch dazu um ein dauerhaftes. Die Gitarre glitzert und funkelt immer noch, wenn auch nicht mehr so stark wie früher. Insgesamt konnte man hier noch keinen großen Schritt einer Neujustierung erkennen.
Auf der folgenden Single Daydrinking schon eher. Akustische Gitarren, ein relativ verhaltenes Schlagzeug und Maurice in sehr verträumter, wenig nachdrückender Atmosphäre. Softpop? Von Bilderbuch? Niemals?! Tja, so schnell kann’s gehen. Plötzlich wird ein kleines und simples Bassriff zum spannendsten Element eines Bilderbuch-Songs. Natürlich blitzen über allem ein paar Tonfunken herum. Aber Maschin ist das hier keine.
Also gleich weiter zum nächsten Release. Mit Schwarzes Karma und Auf und Ab wurde gleich eine Doppelsingle gedroppt, die das Hypelevel auch ordentlich steigen hat lassen. Schwarzes Karma fällt zwar wieder mit eher klassischen und wenig innovativen Riffs und Mustern auf, hat dafür aber die Energie, die man sich von Bilderbuch erhofft und erwartet. Der Song dürfte Hörer binnen Sekunden einnehmen und etwas auslösen können. Bewegung vermutlich. Das Arrangement wird groß ausgefahren, vom Gitarrensolo bis zur Vermischung diverser Gitarrenarten und einem Uptempo-Schlagzeug, wird vor allem auch Maurice‘ Gesang begeistern. Macht schon ziemlich viel Freude, dieses Karma.
Im Zentrum von Auf und Ab steht Maurice und sein Falsett, dass sich mit der schrillen, reduzierten Gitarre abwechselt. Hin und her, auf und ab, englisch, deutsch und eine große Lebensweisheit: Papa sagte: „Sohn, Leben ist ein Rollercoaster, ab und auf“. Jetzt sitzt sie auf meinem Schoß und meine Welt geht ab und auf. Wie war das mit kein Sex mehr auf Gelb ist das Feld? Maurice gibt seine beste Prince-Interpretation, die Band schafft es einen ruhigen und trotzdem aufregenden Song zu zaubern.
Zu I’m not gonna lie haben wir uns damals in Abgehört wie folgt geäußert: „Die nächste Single zum neuen Album Gelb Ist Das Feld und wie gewohnt krachen die Gitarren, die Synthis zünden und es werden Wörter verwendet, auf die keine andere Band in unseren Breitengraden kommen würde (Schuscha, schuscha, schuscha). Absolut geil, Bilderbuch ist und bleibt die positive Konstante der deutschsprachigen Musik“. Kann man immer noch so unterschreiben, auch wenn man sagen muss, dass dieser Track verglichen mit den anderen des Albums mehr Wumms aufweisen kann.
Die letzte Vorabsingle stellte Baby, dass du es weisst dar. Auch darüber haben wir was zu sagen gehabt: „Die Coolness Bilderbuchs blitzt nur durch, das übliche Gewitter an schrillen Gitarren fällt diesmal nur sehr lau aus. Breaks sehr kurz, Song dafür eher auf der längeren Seite und ungewohnt seicht. Kurz gesagt: Nicht der ganz große Bringer.“ Einer der wenigen Tracks, die man instant skippen kann. Es passiert nichts, es dauert alles sehr lange, es gibt praktisch keine Entwicklung.
Zusammenfassend lässt sich also über den Rollout sagen: Guter Beginn, leichtes abflauen, Höhepunkt in der Mitte und bitteres Ende. Und das kann man auch auf die restlichen Songs von Gelb ist das Feld ummünzen. Der Opener Bergauf reißt mit, in den Gitarren zu Beginn wird man sich schnell sehr wohl fühlen und trotz einer Länge von über sechs Minuten, passiert hier so viel, dass man die Dauer nicht spürt. Ein paar Bläser dürfen sogar noch mitmachen und wenn Maurice von den weißen Pferden singt, kann man sie auf dem Feld auch vor sich sehen.
Der Start des Albums zeigt die angesprochene Richtungsänderung des Sounds. For Rent setzt den Trend von Bergauf fort, auch wenn der Refrain wieder ein wenig mehr Glanz mit sich bringt. Diese Uptempo-Nummern, getrieben von verspielten, gut gelaunten Riffs und fein koordinierten Chaos bringen Freude mit. So sollte es weitergehen. Tut es aber nur noch in Ansätzen.
Denn die Wiederholung schlägt eiskalt zu. Viele der Songs von Gelb ist das Feld ähneln sich oder fallen nur durch einzelne Phasen, denn lange und gelungene Passagen auf. Dates: die verträumte Sequenz vor dem Refrain? Top! Das Gezupfe in der Mitte von Klima? Entspannt. Eine Mundharmonika samt Klatschpercussion in La Pampa? Wieso eigentlich nicht. Die Ehrlichkeit von Maurice in Blütenstaub? Aufrichtig. Aber es passiert allgemein einfach wenig.
Das Album hat Längen, vor allem gegen Ende hin, wenn mit Zwischen deiner und meiner Welt noch einmal der untypische Softpop ausgepackt und auf satte fünf Minuten gestreckt wird. Der Closer Gelb ist das Feld versucht noch einmal mit elektronischen und verzerrten Instrumentals einen neuen Drive hineinzubekommen, fühlt sich insgesamt aber einfach langweilig an.
Und so bleibt am Ende die Liebe übrig. Die hat die Band in den Vordergrund gestellt. Zwischendrin blitzt der alte Schmähbär Maurice durch, sonst gibt er sich gern in trauter Zweisamkeit und scheint das Leben auch einfach einmal genießen zu wollen. Trotz aller gesellschaftlichen Umstände und geopolitischen Problematiken. Das darf man ihm nicht verdenken.
FAZIT
Der ganz große Wurf ist Gelb ist das Feld nicht geworden. Aber immer noch ein gutes Album, das Bilderbuch von einer anderen Seite zeigt. Fans werden es weiterhin lieben und generell wird die Band immer noch die größte des Landes bleiben. Auch wenn der Spruch „Des is ma ois zu soft, heast kennan de ned wos gscheids spün?“ eventuell öfter zu hören sein wird.
7,1/10
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.