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FLORENCE + THE MACHINE – DANCE FEVER

© POLYDOR

Genre: Progressive Pop

Es gib ja die verschiedensten Motive ein Album zu schreiben. Liebe, Glaube, Geld sind wohl die gängisten. Florence Welch hat sich für ihr fünftes Album etwas Neues einfallen lassen – Tanzwut.

BACKGROUND

Florence + The Machine zählen zu den dekoriertesten und renommiertesten britischen Bands dieser Tage. Drei der vier Alben wurden für den Mercury Prize nominiert, das Debüt-Album Lungs wurde 2010 gar mit dem BRIT-Award als bestes britisches Album ausgezeichnet. Die Gruppe um die Sängerin Florence Welsh fällt durch pompösen, vor allem aber vielseitigen Sound auf, in dessen Bann man sehr rasch gezogen wird. 2018 erschien das letzte Album High as Hope, ehe jetzt, vier Jahre später das Pandemie-Album Dance Fever erschien.

Florence war von der mittelalterlichen Tanzwut, in der Menschen in Ekstase bis zum Tod tanzen, so beeindruckt, dass sie ihr neuestes Werk unter dieses Motto stellte. Ein Art Märchenerzählung in 14 Akten, die eigentlich schon 2020 beginnen sollte, wegen der beginnenden Pandemie aber verschoben wurde. Dafür hat sie während der tanzfreien Zeit, stark ans Tanzen gedacht, was auf Grund ihrer hyperenergetischen Bühnenpräsenz nicht weiter verwunderlich ist. Florence schrieb die Songs während der Lockdowns und fand sich später mit Jack Antonoff und Glass Animals-Frontman Dave Bayley im Studio ein, um die Lieder aufzunehmen.

REVIEW

47 Minuten dauert die Platte, die vor allem eine Sache in den Mittelpunkt stellt: Emotionen. Florence versucht auf Dance Fever ihr Leben zu beschreiben, den Rollercoaster aus Tour- und Musikreise und persönlichen Bedürfnissen. Das wird gleich im Opener King hörbar, einem mächtigen, unbändigen Drumfeuerwerk, das Florence den Zwist zwischen Vereinbarkeit des Babywunsches und Livekonzerten erläutern lässt. King startet ruhig, baut sich aber zu einem fulminanten Statement auf. I am no mother, I am no bride, I am King wiederholt sie und zeigt dabei ihre gesamte stimmliche Bandbreite. King wird nie langweilig sondern steigert sich zu sakralähnlicher Musik. Produzent Jack Antonoff hört man spätestens in der zweiten Nummer Free heraus, das an eine Mischung aus den Killers und Amy MacDonald erinnert. Der verträumte Refrain bohrt sich ins Gehirn und bleibt für einige Zeit dort, die generelle Pace des Tracks samt Background-Falsett-Akzenten lässt uns nur so durch die verschiedenen Songphasen durchgaloppieren, auch wenn er von ihrem Problem mit Panikattacken handelt. Den gelungenen Albumstart rundet Choreomania ab, der sich mit Bewegungsdrang beschäfigt: Something’s coming, so out of breath / I just kept spinnin’ and I danced myself to death. Auch hier wieder pochende Drums, die den Track nach vorne peitschen und den Wiederholungen von Florence gesanglicher Performance in unterstützender Weise zur Seite stehen.

Der Großteil der ersten Hälfte von Dance Fever wurde sogar noch vor der Pandemie geschrieben, wodurch Florence zu einer Art Prophetin wurde. Sie nimmt sich dieser Thematik im Track Cassandra sogar an, als sie sich mit der Figur aus der griechischen Mythologie vergleicht und anmerkt, dass sie sich ähnlich fühlte, als die Pandemie ausbrach.

Zur Albummitte bekommt man durchwegs solide bis gute, aber nicht herausstechende Tracks. Sei es das deutlich langsamere und bedächtige Back in Town oder das Folk-angehauchte und ironische Girls against God, das in der Hochphase des Lockdowns geschrieben und dadurch auch eine eigenartige, aber feine Mischung aus Euphorie und Schwermut vorweisen kann.

Florence bedient sich häufig an der Gut gegen Böse-Thematik, die auf Dream Girl Evil noch einmal auf ein neues Level gehoben wird. Sie singt über die Erwartungen der Gesellschaft an Frauen, über die Rollen von Engeln und Teufeln, die sie ziemlich nerven, da sie einfach gerne als Mensch wahrgenommen werden würde.

Am I your dream girl?
You think of me in bed
But you could never hold me
You like me better in your head
Make me evil
Then I’m an angel instead
At least you’ll sanctify me when I’m dead

Ein wirklich guter Track, dem man die Wiederholungen des relativ einfachen Refrains verzeiht, da vor allem die Bläser und abermals die Drums sehr viel gutes herausholen können.

Mit Prayer Factory, Heaven Is Here und Restraint bringt sich gleich drei sehr kurze Nummern heraus, die alle auf ihre Art und Weise punkten können. Prayer Factory ist düster und spannend, bricht aber leider viel zu früh ab. Heaven Is Here kann man als nächste massiv-sakrale Nummer sehen, die lange nur vom Gesang, der Mehrstimmigkeit und Percussion getragen wird, mit ein paar Piano-Einsätzen, die das Gesamtbild wohltuend formen. Für Restraint wählt sie einen vollkommen neuen Ansatz, der leider nur ein solcher bleibt und nicht weiterverfolgt wird. Ein bisschen Marilyn Manson gepaart mit Kopfstimmen von Wolf Alice. Nach 48 Sekunden ist das auch schon wieder vorbei.

Das Ende von Dance Fever ist trotzdem ähnlich stark wie der Beginn. My Love zählt zu den besten Nummern die Florence jemals herausgebracht hat und ist Anwärter auf die Single des Jahres. Alle Stärken von ihr werden hervorgetan, ihr pompöser Gesang mit den Frechheiten des percussionlastigen Instrumentals. Mehr nach vorne zieht sie auf dem gesamten Album nicht. Und dabei geht es nur um die einfache Frage, was sie mit ihrer Liebe tun soll? Warten bis sich was ergibt? Und wenn ja, wo soll sie in der Zwischenzeit hin? In diesem Fall ist die Antwort mMn sehr einfach: In genau solche Musik. Fantastisch.

Auch die beiden Closer The Bomb und Morning Elvis zählen in der Diskografie von Florence zu den besten Songs. Während The Bomb sich wieder zurückhält und im Folk-Blues nach Antworten sucht , beeindruckt Morning Elvis vor allem dadurch, dass Glass Animals-Frontman Dave Bayley ein wunderbares Gespür für Florence‘ Sound gefunden hat. Natürlich will Florence noch einmal nach Memphis und Graceland, vor allem, weil sie es auf Grund massiven Alkoholkonsums bisher nicht dorthin geschafft hat. Ein euphorisches Lied, mit gutem Ausgang – sowohl inhaltlich als auch musikalisch auf das Album bezogen.

Fazit

Supercooles Ding, macht sehr viel Freude, auch wenn die Mitte ein bisschen durchhängt. Trotzdem findet man auf Dance Fever mitunter das beste Material, das Florence bisher geschrieben hat.

8,0/10