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Genre: Austropop/Rock
Eigentlich wollte Wanda mit dem fünften Album das zehnjährige Bestehen feiern. Auf Grund des tragischen und frühen Todes von Keyboarder Christian Hummer, rückt die Jubiläumsfeier in den Hintergrund. Dass Wanda so klingt wie es klingt – frisch und großhymnig – ist auch Hummers Verdienst.
BACKGROUND
Unerwartet erreichte die Musikwelt vergangenen Montag die tragische Nachricht des frühen Ablebens von Christian Hummer. Der 1990 geborene Keyboarder starb nach langer, schwerer Krankheit. Sein Tod lässt Releasetage wie Banalitäten der Wohlstandsgesellschaft erscheinen. Unsere Gedanken sind bei all seinen Angehörigen, Freunden und natürlich auch Bandkollegen.
Nach so bedrückenden Nachrichten ist es schwer, den passenden Einstieg in eine Rezension zu finden. Wanda spielt natürlich schon seit Jahren mit dem Thema Tod. Bandleader Marco Wanda widmet gefühlt jeden zweiten Text dem Ableben – das unweigerlich kommen wird, in seinen Lyrics hauptsächlich wegen massivem Zigaretten- und Alkoholkonsum. Wie aufrichtig und ernst er seine Texte meint, lässt sich anhand eines kürzlich gegebenen Interviews mit der österreichischen Tageszeitung Der Standard skizzieren: „Ich habe zehn Jahre lang in der Annahme gelebt, und entsprechend radikal gelebt, dass es morgen vorbei sein könnte.“ Mittlerweile sei Vertrauen ins eigene Können gewachsen und auch der Umstand, dass die Band Wanda sein Leben sei, akzeptiert worden: „Ich hab mich ja lange dagegen gewehrt, dass Wanda mein Leben sein soll. Das hat mir nicht geschmeckt. Aber mittlerweile muss ich anerkennen, dass es so ist.“ Klingt jetzt, so aus dem Kontext gerissen gar nicht so euphorisch. In Wirklichkeit merkt man aber bei Marco Wanda in jeder Zeile dieses ausführlichen und drei Wochen vor Hummers Tod geführten Interviews, einen beachtlichen Wachstumsprozess.
Und klar, es wird auf Wanda schon noch gesoffen und geraucht – das wäre nach diesen Pandemiejahren ja noch schöner! – aber eben auch sehr viel persönlicher geschrieben. Das Ding bei Wanda ist ja: Man hat geglaubt, man hat schon alles gehört. Nach dem fulminanten und schon jetzt in den Kanon der Austropop-Klassiker aufgenommenen Debütalbum Amore (2014) kannte man den Sound, der Wanda ausmacht. Nicht unbedingt aufwendig, konnte man hauptsächlich ohne große Schnörkel und mit zugespitzten, aber auch sehr interpretationsfreundlichen Texten eine ganze Generation an sich binden. Fernweh nach Italien, Liebe, bisschen Saufen, Heim wanken, Katern und wieder alles von vorne. Sterben. Was sich bei Amore noch frisch anfühlte, war beim Nachfolge-Album Bussi ein Jahr später schon ein bisschen mau. Ist halt immer so eine Sache, wenn man praktisch zwei Alben zur selben Zeit aufnimmt.
Es ist selten ein schlechtes Zeichen, wenn eine Band einen so typischen Sound kreieren konnte, dass man nach wenigen Takten schon genau weiß, wer für diese Musik verantwortlich ist, nur übertreiben sollte man es nicht. Niente aus dem Jahr 2017 brachte Columbo mit, die erfolgreichste Single der Band, die auf Platz 1 der österreichischen Charts stieg. Mit Ciao! schien die Leichtigkeit abhanden gekommen zu sein, sowohl im Sound als auch in der Band machte sich ein Sättigungsgefühl breit, was unter anderem im Ausstieg des bisherigen Drummers Lukas Hasitschka mündete. Bei Wanda, dem Jubiläumsalbum und erstem Langspieler nach der Pandemie, feierte Gründungsmitglied Valentin Wegscheider sein Comeback. „Rund um Ciao haben wir uns nicht mehr gesagt, was wir meinen, nicht mehr darüber geredet, was wir uns wünschen und fühlen. Da haben wir vollkommen den Draht zueinander verloren. Daran haben wir begonnen zu arbeiten. Als eine Art Psychohygiene. Das ist passiert, als Valentin Wegscheider am Schlagzeug zurückgekehrt ist. Der tickt als Typ ganz anders. Der war Gründungsmitglied, hat aber den ganzen Exzess und Erfolg verpasst, ist jetzt aber wieder dabei. Er als Mensch ist sehr nachdenklich und ruhig, das hat uns sehr gutgetan“, erklärt Marco Wanda gegenüber dem Standard.
REVIEW
Zwölf neue Songs schenkt uns die Band, die uns gleichzeitig einlädt, eine dreiviertel Stunde mit ihnen zu verbringen. Was sofort auffällt – Wanda vertraut auf ihre typischen Sound- und Klangmuster, versucht und traut sich aber auch an neuen Gefilden. Schon während der Pandemie wurden die ersten Single-Happen verteilt: 2020 mit Jurassic Park, einem Song, den Marco Wanda auf Grund eines vom Nino aus Wien abgesagten Treffens schreiben konnte. Auf Jurassic Park bleibt man sich sehr treu, die üblichen Klangmuster dominieren das Geschehen, die typischen Satzkonstruktionen den Text. Ein Song, dem man sehr schnell verfällt und den man – wie fast alles, was Wanda als Auskopplung wählt – sofort mitsingen kann. Das vermeintliche Onetrick-Pony aus eingängigem Keyboard samt Gitarren-Riff hat wieder zugeschlagen. Wunderbar, mehr braucht man eigentlich nicht von Wanda.
Im Juni 2021 folgte Die Sterne von Alterlaa, ein herausragend leichter und frischer Song. Marco besingt eine Schlägerei vor dem Fenster der Angebeteten in Wiens berühmter Satellitenstadt, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Flamme reagiert nicht, dafür ist die Hand von Marco gebrochen. Macht aber nichts, sie hindert ihn nicht daran, wirklich fantastisch-wienerisch-österreichische-dunkle-Seelenfetzen zu schreiben: Man kann so schön zua sein und trotzdem die Welt so traurig sehen / Und ich wird immer wieder zua sein und am Wegrand kurz bei deinem Fenster stehen. Marcos Gabe den österreichischen Charakter zu sezieren und zu beschreiben, bleibt seine allergrößte Stärke: Zeit löscht ihre Kinder aus und wir zwei sind Kinder unsrer Zeit / Und es sind fast dieselben Sachen, die wir hassen / Und dieselben laschen, die uns träumen lassen, bis wir endlich schlafen gehen. Die Sterne von Alterlaa bildet eines der größten Highlights des Albums und zeigt auch die Weiterentwicklung, die Wanda genommen hat.
Mit Rocking in Wien wurde schlussendlich der Rollout zum neuen Album im März dieses Jahres eröffnet. In einer der ersten abgehört-Folgen, konnte der Track nicht unbedingt überzeugen. Mit ein wenig Abstand wird aus dem Album-Opener aber doch ein ziemlich großer Banger. Christian Hummers Klavier hat großen Anteil daran, dass man diesen Track feiern kann. Marcos Lyrics wie eh und je, dafür gibt’s einen Refrain der direkt von Falco stammen könnte. Um es kurz zu machen: Ich hab mich ordentlich getäuscht, dieser Song ist definitiv ein großer Wurf. Gerade weil eben so viele verschiedene Elemente drin Platz haben. Schande über mich.
Schon damals viel besser gefallen hat Va Bene. Im August wurde noch Wir sind verloren nachgelegt. Wieder nimmt das Keyboard eine prominente Position ein. Marcos Gesang erinnert an das erste Album – was auch das größte Problem dieses, in den Strophen und im Refrain eigentlich spannenden Tracks ist: Der Prechorus stammt aus dem 0815-Wanda-Trickbuch, die Intonation hat man schon zig Male gehört, was eine Abnützungserscheinung als Folge hat. Gitarren-Solo aber sehr fein, allgemein guter Ton. So viel zu den traditionell starken Singles. Der Rest des Albums muss sich aber auch nicht verstecken.
Über den Inhalt von Eine ganz normale Nacht in Wien muss man nicht großartig spekulieren. Wieder sehr fein aufgezogen, von Gitarre über Keyboard und Drums, nimmt uns Marco auch in einen weiteren Refrain-Bann. Und niemand weiß, dass es uns überhaupt gegeben hat, Baby singt er wenig später – eine Passage, die schon am Debütalbum im gleichnamigen Songprominent besungen wurde. Orte an denen wir waren bringt nicht viel Neues, trifft aber absolut alle Stellen goldrichtig. Ein Refrain zum Niederlegen, den man umarmen und aufsaugen möchte. Die Kniffe einer Band, die das Hymnen schreiben perfektioniert hat. Kein Plan zeigt die Gruppe unerwartet leicht, fast schon flockig euphorisch, durch die Takte gleiten. Gute Laune Musik ohne erkenntlichen Schwermut – ein definitiv neues Asset im Wanda-Kosmos. Klar, der Text hat schon noch seine Sauf-Referenzen, aber die braucht es auch einfach. Ähnlich verhält es sich mit Immer willst du tanzen, das vor allem durch Marcos Intonation im Staccato-Stil auffällt. Das ist sicherlich ein Track, der dem ein oder anderen Hörer auf die Nerven gehen kann – zu einfach, aber auch übermächtig sind manche Passagen gestrickt. Hummers Klavier fast orchestral, jazzig und virtuos, der Rest überzeugt mit allgemein hoher Pace und typischer Wiener Lässigkeit.
Die einzigen zwei Tracks, die nicht ganz mithalten können, sind Rot ist die Farbe und Pilot. Ersterer verhaut sich sehr viel durch nicht notwendigen Backup-Wiederholungen und einen Refrain, der Marcos stimmliche Grenzen überstrapaziert. Extrem bitter, da gerade der instrumentale Aufbau des Songs beeindruckt – wieder ist es Hummer, der den Drive des Basses und der Drums auffettet. Pilot hingegen darf mit einer feinen und eingängigen Gitarre glänzen, verpasst aber den Sprung zu etwas Aufregendem. Der mit Abstand seichteste Song auf Wanda.
Den grandiosen Abschluss bildet Eine Gang, das auf Grund der tragischen Ereignisse der vergangenen Tage noch einmal eine andere Bedeutung bekommt. Das Lied ist eine Mischung aus Wiener Lied und Billy Joel. Marco singt leicht beduselt über seine Gang und den unüberwindbaren Zusammenhalt. Knapp fünf Minuten wird experimentiert und alles was in den Bandmitgliedern steckt herausgepresst. Sicher hätte man den Refrain noch spannender gestalten können – dafür wäre aber viel vom Charme verloren gegangen. Eine schöne Botschaft, die hoffentlich auch wortwörtlich umgesetzt wird.
FAZIT
Zum ersten Mal seit dem Debüt hat man das Gefühl, dass Wanda wieder sie selbst sind. Die Pandemie mit der Live-Zwangspause hat der Band gutgetan. Man findet auf Wanda sowohl viele klassische Facetten, die die Gruppe auszeichnet, als auch die ein oder andere Weiterentwicklung, die ihr gutsteht. Marco Wanda kündigte an, dass das nächste Album komplett anders klingen werde. Dementsprechend kann man bei Wanda noch einmal in gewohnter Manier mitmachen und eintauchen. Das beste Album der Band seit acht Jahren.
8,0/10
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.