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Die Puerto-ricanische Sängerin mit einem wunderbaren Reggaeton-Album, garniert mit Experimentierfreude.
Young Miko ist eine der angesagtesten jungen Künstlerinnen im Latin-Bereich. Die Puertoricanerin hat erst relativ spät mit Musik angefangen, war zunächst Profi-Fußballerin und Tätowiererin. 2018 startete sie damit, ihre eigenen Raps auf Soundcloud zu veröffentlichen und Aufmerksamkeit zu generieren. Ihr Sound machte sie für viele etablierte Künstler:innen und Stars des Latin-Pop interessant, der erste bei ihr anklopfte war der kolumbianische Superstar Feid, mit dem sie 2023 den Song Classy 101 aufnahm. Features mit Karol G oder Bad Bunny folgte – mehr geht derzeit nicht. Dieses Jahr war sie bei Erfolgsproduzent Bizzarap im Studio zu Gast, um an einer seiner mittlerweile schon legendären Music Sessions teilzunehmen. Und im April erschien nun ihr Debütalbum Att. – atentamente – also sowas wie hochachtungsvoll. Mit 26 Jahren hat Young Miko ihren vorläufigen Karrierehöhepunkt erreicht.
Att. Ist ein wunderbares Reggaeton, Latin-Pop und Trap-Album, mit sehr vielen R&B-Sequenzen, aber auch ordentlichen Club-Bangern. Sie bleibt der spanischen Sprache treu, wechselt nur in wenigen Phrasen ins Englische, was die Stimmung nicht trübt. Generell ist das hier wieder so ein Fall, wo die Musik einfach für sich spricht und die Atmosphäre die Arbeit übernimmt – man muss nicht alles verstehen, um diese Platte genießen zu können. Ein durchaus leichtes, lockeres, an manchen Stellen sehr aggressives und selbstbewusstes Album, das auch vor dem ein oder anderen Experiment nicht zurückschreckt.
Young Miko macht was Feines
Aber zunächst fallen die lieblichen, richtig feinen Reggaeton-Lieder auf, die bleiben im Ohr. Wie Curita, wo man sich verlieren kann im gediegenen R&B-Pop-Mix. So macht das alles schon sehr viel Freude, vor allem gegen Ende, wenn dann auch noch ein kleiner Chor angedeutet wird. Dass sie auf Grund ihres Status als heißeste Latin-Newcomerin ihr Album mit dem Song Rookie of the Year startet, verwundert auch nicht weiter. Auch dieser Song lebt von der eingängigen Melodie und einem sehr dezenten Beat, der aber genau richtig ausfällt. Es ist ein gewissermaßen charakteristischer Sound den Young Miko auf vielen Songs durchzieht – ein bisschen verträumt, ein wenig aggressiv, aber sehr ansteckend. Wie man auch auf wiggy hören kann, wo sie überhaupt mal Las Ketchup und den Ketchup-Song interpoliert. Muss man sich auch mal getrauen – aber wenn es so smooth umgesetzt ist, hat man keinerlei Probleme an einen der nervigsten Sommerhits aller Zeiten wieder erinnert zu werden.
Generell holt sie immer wieder Klassiker in ihre Musik hinein: Auf dem fast schon mysteriösen Reggaeton-Banger ID mit den Genre-Veteranen Jowell & Randy holt sie den legendären Beat der Fearless Four von Rockin It herein – was seinerzeit schon Jay-Z gemacht hat und hat glücklicherweise das Sample clearen lassen – im deutschsprachigen Raum sind wir ja um einen Monsterbanger gefallen, nachdem Shirin David das bei Hoes Up Gs Down nicht geschafft hat. Okay, das hat mit Kraftwerk zu tun – andere Geschichte. Jedenfalls kann man sich in vielen Beats von Young Miko verlieren – Oye Ma kommt tief und böse daher und zeig deutlich die Rap-Seite Mikos und mischt Reggaeton mit Trap.
Umgekehrt gibt es einige sehr angenehme, fast kindliche Melodien. Tamagotchi ist dafür ein Paradebeispiel oder auch Tres Tristes Tragos, das durchaus von Rosalia beeinflusst sein hätte können. Eine kleine Gitarren-Melodie ehe der Beat droppt. Ist einfach alles sehr warm und umarmend. Princess Peach kann man hier auch erwähnen – macht vollkommen Bock.
Fuck TMZ stellt sicherlich auch ein Highlight der Platte dar. Hier rappt und singt Miko – wie auf dem gesamten Album – durch die LGBTQAI+-Brille, über Privatsphären, flext ein wenig – es passt ziemlich viel zusammen. Man wird musikalisch von ihr nie eine fette Ballade bekommen – aber sie weiß genau, was sie tut und das klingt in der Regel einfach immer sehr gut.
Einzig wild-weirdes Lied ist Madre, wo Villano Antillano dabei ist. Dieser Song interpoliert Pump Up the Jam von Technotronic (Ft. Ya Kid K) und ist schon ein bisschen zu drüber – hat aber auch irgendwas. Hingegen funktionieren die anderen Features sehr gut. Offline mit Feid ist ein klassischer Reggaeton-Banger, bisschen verspielt, aber treffend. Ay Mami mit Dei V kann man getrost in dieselbe Kategorie packen, da macht man nichts falsch. No qiero pelear ist einer der ruhigsten Songs von att. Und lebt auch von der sehr fein akzentuierten Gesangsmelodie von Elena Rose.
Fazit
Also wer auf Latin-Pop und Reggaeton steht, wird dieses Album sehr gerne ballern. Mir geht’s zumindest so, das ist schon sehr fein, wie man durch die 16 Tracks und die dreiviertel Stunde durchkommt. Geht schnell vorbei, abwechslungsreich und ist selten richtig platt oder generisch. Find ich ziemlich cool, schönes hohes Niveau, wenn auch noch mit Steigerungsraum – wie es eben bei Debütalben normal ist.
7,4/10
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.