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Please Madame – Angry Boys, Angry Girls

© KLEIO Records

Das dritte Album von Please Madame ist erschienen. Die Combo aus Salzburg und Wien hat sich auf Angry Boys, Angry Girls einige große Lebensfragen gestellt – wie man das als Mittzwanziger so macht. Ob sie auch den richtigen Ton und Antworten gefunden haben?

Dominik Wendl, Laurenz Strasser, Martin Pöheim und Niklas Mayr bilden Please Madame, eine immer noch sehr unterschätzte österreichische Band. Klar, der Austrian Newcomer Award 2016 schmeckt nach wie vor gut, aber inzwischen sind schon fünf Jahre vergangen und neben Young Understanding mit Angry Boys, Angry Girls ein weiteres Album erschienen.

Es ist eine verflixte Geschichte wie auch altbekannte Geschichte: Eine junge Band hat Elan und Kreativität aber das große Problem, dass sie nicht im Radio gespielt werden. Im Fall von Please Madame kann man nur mit dem Kopf schütteln, zu eingängig und radiotauglich sind die Songs, die sie hier präsentieren.

Da wäre zum Ersten Shadows: Ein Song der mächtig einschlägt und quasi der echte Opener von Angry Boys, Angry Girls ist. Chöre, schrille aber harmonische Gitarren, ein kohärenter, starker Aufbau – das klingt richtig gut, das macht sehr viel Laune. Shadows kann man fast schon als Giant Rooks-Song sehen, so groß und ausfüllend werden Hörer:innen hier begrüßt.

Und wo man in Shadows noch die Giant Rooks hört, sind es in Same Again die Beatsteaks denen hier nachgeifert wird. Das soll nicht despektierlich klingen, Please Madame macht schon eigenen Sound und versucht sich nicht als Coverband anderer Gruppen. Hier kommt man eigentlich zum selben Schluss wie nach Shadows – die Jungs können Songs schreiben, die sich ins Ohr brennen und nicht nerven. Auch wenn die Erkenntnis, dass nichts mehr so sein wird, wie es einmal war nicht neu ist, klingt sie hier sehr erfrischend.

Die Kompositionen sind spannend, Talk the Other Way fällt hier auf, auch wenn der Refrain aus der Reihe tanzt und aufpassen muss, dass er am dünnen Balancierbalken zwischen harmonisch ansprechend und dumpf seicht nicht in Letzteres-Gebiet hinunterfällt. Er wächst gegen Ende hin und bläst sich ein wenig größer auf, als er eigentlich ist.

Die wildesten Träume erlebt die Band in Wildest Dreams, no na. Ein Stimmungswechsel zu den sonst farbenfrohen und wohltemperierten Liedern bisher, Wildest Dreams kann den Titel auch musikalisch gerecht werden. Schön zerlegte Akkorde mit spannendem Gesang zelebrieren sich im Refrain zu einem wuchtigeren Song, dem man Titel und Text abkauft.

Und dann kommen wir zum größten Verbrechen: Wie kann ein Song wie Mary-Ann nicht 24/7 auf allen Radio-Stationen laufen?! Vor allem im Sommer?! Einen perfekteren Sommer-Hit sucht man in der heimischen Musikszene seit Jahren vergeblich. Ok, das ist alles schon sehr, sehr popig, aber deshalb nicht schlecht. Mit Mary-Ann hat die Band einen unglaublichen Ohrwurm geschrieben, der auf jedem Konzert zu einem Spektakel werden wird. Dieses Lied hat alles was man sich wünscht, wenn man auf gute Laune steht: Ein wunderbares Crescendo zum Refrain hin, einen Chorus den man sofort mitsingen kann und Instrumentals danach, die einen sprichwörtlich fliegen lassen. Ein ganz wunderbar leichtes dreineinhalb-Minuten Vergnügen.


Dass sie direkt danach Swim angeordnet haben verwundert nicht. Hier wollen sie musikalisch an Mary-Ann anschließen, was im Großen und Ganzen auch gelingt. Wenn auch der Refrain ein wenig abfällt. Man kann aber die Intention dieser Songs nicht verleugnen, es sind Lieder für die großen Bühnen, die vor allem für das Publikum geschrieben sind. Gemacht zum Mitsingen, darüber kann man sich nicht aufregen.

Das kurze Interlude leitet die zweite Hälfte des Albums ein. Wir wechseln vom Pop der gehörten Lieder wieder Richtung Indie-Rock. Take A Chance fällt mit einer interessanten Mischung aus Von Wegen Lisbeth und Falcos Out Of The Dark auf. Im Vordergrund steht aber einmal mehr die hervorragende Produktion. Georg Gabler und Mario Fartacek haben auf der gesamten Platte starke Arbeit geliefert. Auch auf diesem anderen, aber immer noch sehr ansteckenden Song. Das Keyboard wird ausgepackt, die Akkorde mehr gestrummt. Do It all again.

Comfort wäre wie Talk the Other Way fürs Radio gemacht, ist aber ebenfalls ein Lied, das ich nicht unbedingt in Dauerschleife hören würde. Zu seicht wird’s im Refrain, auch wenn man dem Song ein gewisses Maß an Theatralik auf Grund des Textes zugestehen muss.

Zeit die Feuerzeuge auszupacken. Troubles (When We Collide) lädt zum Träumen ein, schafft es mit seinen reduzierten, einfachen Instrumentals ein großes Bad an Gefühlen zu wecken. Eine wunderbarer Rocksong mit keinen Schwächen. Auch im folgenden So Much Better bleiben die Feuerzeuge noch draußen. Hier wird’s ganz ruhig, dafür aber ehrlich und aufrichtig. Ein etwas anderer Liebessong, dessen Stärke in der Ruhe und später dann auch im unwiderstehlichen Gesang liegt. Ja, da könnte man auch ein wenig von Selbstmitleid sprechen, das würde dem Lied und der Performance aber nicht gerecht werden.

Mit In Honesty schließt sich der Kreis zum Intro Honesty. Wie schon in den vorangegangenen Liedern bleiben wir auf der leiseren Schiene und darüber gesungen, welchen Stellenwert Ehrlichkeit hat. Sie spielen sich zwischenzeitlich in eine Art Trance und wechseln schlussendlich noch einmal auf einen aufs Klavier reduzierten Hintergrund mit mehreren Stimmen. Das Albums endet, wie es beginnt: In Ruhe.

Angry Boys, Angry Girls macht vieles sehr gut, ist aber kein perfektes Album. Muss es auch nicht sein. Es ist das dritte Album einer Mittzwanziger Band, die langsam aber sicher ihren eigenen Sound findet, auch wenn hin und wieder der Einfluss von anderen Gruppen nicht zu überhören ist. Dennoch, Please Madame ist auf einem sehr guten Weg, den mühsamen Underground-Status endlich loszuwerden. Für mich bleibt schlussendlich nur die Frage: Welcher moderne Bogdan Roscic ist für die Frechheit zuständig, diese Band nicht im Radio laufen zu lassen.

3,5/5 Pandroids

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