© Polydor Records
Zum zweiten Mal in diesem Jahr entführt uns Lana Del Rey zu einem weiteren Trip in die Hollywood Hills. Nach der Veröffentlichung ihres siebten Studioalbums Chemtrails over the Country Club im Frühjahr, veröffentlichte die Wahl-Kalifornierin mit Blue Banisters jetzt ihr achtes Album. Darauf wird sie persönlicher denn je, was insofern eine Kunst ist, da Lana selten mit privaten Einblicken geizte.
BACKGROUND
Lana Del Rey hat direkt nach Veröffentlichung von Chemtrails over the Country Club ein weiteres Album für dieses Jahr angekündigt. Eigentlich für Juli geplant, wurde Blue Banisters schließlich auf Oktober verschoben. Nachdem sie den Erwartungen mit dem Vorgängeralbum – vor allem in Bezug auf das hervorragende Norman Fucking Rockwell! – nicht ganz erfüllen konnte, waren Fans und Kritiker gleichermaßen gespannt, wie sie sich auf dem zweiten Album 2021 präsentieren würde.
LYRICS
Wir müssen über Lyics sprechen. Lana Del Rey spielt seit dem Beginn ihrer Karriere mit diversen Themen, ist selten auf den Mund gefallen und beschreibt diverse Erlebnisse entweder direkt, oder in Metaphern verpackt. Dass sie diese Platte Blue Banisters nennt, verwundert auf Grund ihrer bisherigen Diskografie nicht unbedingt. Die Farbe Blau spielt eine große Rolle und ist ein wiederkehrendes Element in ihrem musikalischen Schaffen. Auch in den neuen Texten kommt blau immer und immer wieder vor. Sie trennt sich nicht von der von ihr perfektionierten amerikanischen Grundnostalgie und dem Schwermut, schreibt auf Blue Banisters zudem auch über Heimat, ihre Familienverhältnisse, Liebe und Trennung als auch diverse Szenen aus dem Lockdown und ihre zerrüttete Beziehung zu ihrer Mutter. Das macht sie ausgesprochen gut, selten waren die Texte von Lana so direkt und klar, so aufrichtig und ehrlich. In jedem einzelnen Song kann man jede einzelne Zeile ausgiebig interpretieren, deshalb würde eine längere Analyse der Lyrics den Rahmen hier sprengen.
REVIEW
Ohne Jack Antonoff, dafür aber mit insgesamt acht verschiedenen Produzenten, wurde Blue Banisters fertiggestellt. Einige der Lieder liegen schon Jahre in Lanas Schublade herum und schafften jetzt den endgültigen Sprung in die Öffentlichkeit. Text Book gibt den Opener, ein Song, den man von Lana schon hunderte Male gehört hat. Langsam, reduziert und mit der typischen künstlichen Verträumtheit Lanas vorgetragen. Der Song nimmt zum Refrain hin Fahrt auf, bekommt dann aber einen sehr gewöhnungsbedürftigen Taktwechsel verpasst, der abschrecken kann. Vielleicht müssen wir zunächst noch einmal generell über die Musik von Lana Del Rey sprechen. Der Vorwurf der Langweile ist so alt wie ihre musikalische Karriere und gerade die ersten Songs von Blue Banisters können nicht viel machen, um dieser vorgefertigten Meinung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die ruhige Atmosphäre, die sie mit ihrem Gesang in den Pianoballaden schafft, kann eine Spur zu ruhig werden – einschläfernd, wenn man es ganz Böse ausdrücken möchte. Das ist ein allgemeines Problem, dem sich Lana stellen muss. Sie wird nicht mehr die gesamte Pop-Fan-Landschaft ansprechen können, dafür hat sie sich zu sehr diesem Sound verschrieben.
Der titelgebende Song Blue Banisters wird demnach auch nicht zum Banger, sondern bleibt sich mit seinen paar Klavierakkorden und Lanas luftiger Stimme treu. Arcadia soll laut ihrer Aussage wie Video Games geliebt und gehört werden. Viele offensichtliche Parallelen zur Durchbruchssingle findet man, wenn man auch sagen muss, dass dieser Track wie sehr viele anderen bei den Hörer:innen wachsen kann. Arcadia handelt von ihrer kalifornischen Wahl-Heimat und will zu einer weiteren Lana-Hymne werden. Streicher, Klavier und viel Melancholie samt dezenten Bläsern. Dann das große Break: Interlude – The Trio covert Enbio Morricones Thema aus Zwei glorreiche Halunken und baut es zu einem richtig satten Beat aus, der nach 1:16 Minuten schon wieder verklingt. Hätte Lana darauf gesungen oder gar gerappt – es wäre die Sensation des Jahres gewesen. So hängt der Song in der Luft.
Black Bathing Suit behandelt die „Kritik“ die sie während der Corona-Krise einstecken musste, weil sie offenbar an Gewicht zulegte. Der schwarze Badeanzug sei das einzige das ihr noch passen würde. Lana geht mit der „Kritik“ gewohnt lässig um und spricht hier auch wieder die schwierige Beziehung zu ihrer Mutter an. Der Song gehört zu den stärksten des Albums und zeigt auch wieder mit einem sehr eigenwilligen Dynamik-Wechsel auf. Sie lässt sich enorm viel Zeit um ihre Geschichten zu erzählen, ein Song dauert im Schnitt gute viereinhalb Minnuten.
If You Lie Down With Me stammt aus dem Jahr 2013 und hätte schon auf Lanas drittem Album Ultraviolence erscheinen sollen, wurde dann aber doch noch gekickt. Dafür also jetzt, eine weiterer, vom Klavier getragene Ballade, der von Trennung handelt und durch seine reduzierte Schönheit besticht. Reduzierter als Beautiful geht es dann auch nicht mehr, hier gibt’s wirklich nur Klavier und Lana, die sich stimmlich ein wenig mehr zutraut und dem Songinhalt so auch gerecht wird.
Violets for Roses hat eine unmissverständliche Botschaft: Veilchen für Rosen. Ein Lied in dem es um einen Mann geht, der nicht ausstehen kann, dass eine Frau eigene Träume oder gar Erfolg hat. Musikalisch bewegen wir uns weiterhin auf dem absoluten Instrumental-Minimum: Klavier und ein paar Streicher und schlussendlich auch noch ein paar Gesangsstimmen dazu – tut der Tiefe ganz gut. Bei Dealer kommt es zum Duett zwischen Lana und Miles Kane, dem Sänger der Rascals bzw. The Last Shadow Puppets. Letztere Superband wollte mit Lana vor einigen Jahren ein gemeinsames Album aufnehmen, wobei es nur beim Vorhaben blieb. Dealer stammt aus 2017 und behandelt die Verzweiflung des Liebeskummers und präsentiert eine schreiende Lana Del Rey. Überraschenderweise klingt das gar nicht so übel. Jedenfalls eine willkommene Abwechslung zu den restlichen, musikalisch monotonen Nummern. Bei Thunder gilt dasselbe Spiel: Wieder ein Lied, dass auf das nie erschienene Kollaborations-Album mit den Shadow Puppets gehört hätte. Hier gibt’s Anspielungen auf die Killers und Mr. Brightside und wieder mehr musikalische Tiefe, wenn auch die Streicher nicht fehlen dürfen.
Mike Dean, der unter anderem für Kanye Wests Donda zuständig war, produzierte Wildflower Wildfire, muss zunächst aber nicht viel mehr machen, als ein paar Klavierakkorde zu spielen. Hinten raus kommt dann mehr Schwung rein, wenn mal ein Schlagzeug mitmachen darf. Inhaltlich eine weitere Abrechnung mit Lanas Elternhaus und ihrer Mutter, samt Versprechen an künftige Kinder, in Erziehungsfragen alles anders zu machen, da sie aus den Fehlern ihrer Eltern lernte.
Nectar of the Gods wurde schon 2014 geschrieben und tauscht das Klavier gegen eine Gitarre aus. Das ist aber schon das Spannendste an diesem Track. Meh. Living Legend ist eine Hommage an ihre Fördererin und Freundin Jane Powers. Ein kleiner Trip entlang der Memory Lane, auf dem sich Lana wieder an höheren Stimmlagen versucht. Einen weiteren alten Song zeigt sie mit Cherry Blossom, auf dem sie wieder mit ihren zukünftigen Kindern spricht und schon den ein oder anderen Mädchennamen verrät. Das Album schließt mit Sweet Carolina, den sie zusammen mit ihrem Vater und ihrer Schwester Chuck geschrieben hat. Um die Schwangerschaft bzw. die Geburt des Kindes von Letzterer dreht sich das Lied auch. Ein Lied, dass etwas mehr an alte Lana-Nummern erinnert, auch wenn sie sich im Refrain waghalsig an einem für sie gefährlichen Falsett versucht.
FAZIT
Ja wirklich interessieren wird sich Lana Del Rey für die Meinung anderer nicht mehr. Sie zieht ihr Ding ohne Rücksicht auf Verluste durch und bringt mit Blue Banisters ein weiteres, für sie typisches melodramatisches Album heraus. Die Songs sind ob des Songwritings nicht schlecht – im Gegenteil, sie zeigen Lanas Stärke als Liedschreiberin vermutlich besser als alle anderen Alben. Musikalisch bewegen wir uns dennoch auf sehr seichtem Terrain, das mal passen, mal Langweilen kann. Ja, den Vorwurf muss sie sich weiterhin gefallen lassen. Trotzdem: Wer offen genug an Blue Banisters herangeht, wird Gefallen daran finden. Solide Platte, trotz einiger alter Konserven.
3,5/5 Pandroids
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.