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LIMP BIZKIT – STILL SUCKS

© Suretone Records

Wenn man dachte, 2021 hat keine Überraschungen mehr parat, kommt aus dem Nichts ein neues Album von Limp Bizkit daher. Die „Veteranen“ des Nu-Metal vertrösteten Fans jahrelang, nur um jetzt sehr spontan Still Sucks zu veröffentlichen.

BACKGROUND

Leute zu finden, die zugeben, dass sie auf Limp Bizkit stehen, ist in unserem Zeitalter gar nicht mehr so einfach. Die Band war Ende der 90er und Anfang der 2000er der heißeste Shit, sorgte für einige Skandale, legendäre Konzertmomente und dementsprechend auch Publicity. Bis es irgendwann ruhiger wurde und satte zehn Jahre vergingen, bis jetzt endlich wieder neue Musik erschien. Still Sucks hätte eigentlich Stampede of the Disco Elephants heißen und schon 2014 erscheinen sollen. Aber Sänger Fred Durst war mit diesem und jenem nicht einverstanden und verschob den Release. 2017 verkündete er via Instagram, dass das Album schon seit einem Jahr im Internet zu finden sei, was Bandkollegen jedoch vehement dementierten. Es verging so viel Zeit, dass die Band sogar das Label wechselte und zwischenzeitlich wieder verließ und laut Aussage von Gitarrist Wes Borland circa sieben Mal so weit war, das Album zu veröffentlichen. Aber Durst fand’s am Ende nicht so gelungen und der Prozess startete wieder von vorne. Im Juli 2021 spielten sie auf dem Lollapalooza-Festival in Chicago schließlich Dad Vibes, eine neue Nummer und leiteten so sehr lean die Promo-Phase für das Album ein. Mitte Oktober fragte Durst seine Instagram-Follower ob die Band einen Song nach dem anderen veröffentlichen, oder gleich das ganze Album raushauen soll. Letztere Möglichkeit wurde deutlich präferiert, Durst kündigte Still Sucks für Halloween 2021 an, an dem es dann tatsächlich auch erschien.

REVIEW

Aus dem Nichts kam nicht nur das Album, sondern auch der massive Schlag mitten ins Gesicht, den man direkt zu Beginn von Still Sucks erhält. Wes Borland spielt sich mit einem verhaltenen Intro und knallt dann auf Out Of Style ein Riff raus, dass die Hörer:innen sofort ins Jahr 1999 zurückkatapultiert. Nu-Metal scheint nie weg gewesen zu sein. Zusammen mit Dursts Rap und Gesang wird ein überraschend starker und ansteckender Opener geboten, der sich tatsächlich viel angenehmer als befürchtet anfühlt. Durst hat wenig von seinem Style verloren, seine Intonation und sein Vortrag haben sich nur wenig verändert – über den Gesang sprechen wir später.

Härte soll am Beginn des Albums im Mittelpunkt stehen, auch der nachfolgende Song Dirty Rock Bizkit überzeugt mit einem aggressiven Riff, das im Refrain von Dursts Gesang zu einer sehr harmonischen Kombination geführt wird. Somebody better give it to me hard, loud – gesagt, getan. Die Strophen werden wieder gerappt, Inhalt vollkommen egal, das ist ein Song um den Kopf ein wenig kreisen zu lassen. Wenn dann ein Gitarrenbreak samt Bridge kommt, sieht man schon den Moshpit aufgehen und mit dem Einsatz des massiven Riffs eskalieren. Ja, Limp Bizkit hat zwei gute neue Songs gemacht.

Mit Dad Vibes wird nachgelegt. Von der angesprochenen Dad-Stimmung fehlt aber jede Spur, auch hier besinnt sich die Band wieder auf ihre Stärken und zaubert einen wohltemperierten Mix aus elektronischen Elementen um DJ Lethal, einem soliden Riff von Wes Borland und Fred Dursts Stimmakrobatik hervor. Macht Laune. Auf Turn It Up, Bitch nimmt sich die Band selbst nicht sehr ernst und drückt das in ihrem Text aus. Der Song ist deutlich ruhiger bzw. lässt Borland diesmal dem Bass den Vortritt. DJ Lethal macht den Rest, während Durst sich durch das Lied rappt. Man ertappt sich langsam, aber sicher dabei, dass man Still Sucks plötzlich ganz cool finden könnte.

Einer der größten Hits von Limp Bizkit war ihre Coverversion von The Whos Behind Blue Eyes, auf dem sie untypisch langsam und im Grunde genommen sehr langweilig eine Ballade versuchten vorzutragen. Auch auf dem neuen Album will diese Rrichtung eingeschlagen werden, diesmal covern sie Don’t Change von INXS. Also kein Riff, dafür eine akustische Gitarre und Fred Durst, der singt – und nicht einmal schlecht. Im Laufe der Jahre scheint seine Stimme immer besser geworden zu sein, für diesen Song funktioniert sie jedenfalls. Insgesamt erinnert diese Version von Don’t Change an (frühe) Balladen von Green Day. Die Originalversion von INXS hat auf jeden Fall mehr Wumms, ob es eine Neuinterpretation unbedingt gebraucht hätte, wage ich an dieser Stelle zu bezweifeln.

Auf You Bring Out The Worst In Me bleiben sie zunächst ruhig, nur um zum Refrain richtig in Geschrei zu wechseln: When you sleep / I will be / Inside your dreams / Inside your screams – wie ein heimtückischer Dämon knallt Durst hier seine Zeilen raus. Limp Bizkit will die gesamte Vielschichtigkeit präsentieren, deshalb kommt dann auch so ein Track heraus. Melodisch in der Strophe, durchgeknallt und hart im Chorus – gerne mehr davon.

Im Zwiegespräch mit sich selbst erklärt Fred Durst auf Love The Hate, warum er der schlechteste Rapper aller Zeiten und Limp Bizkit generell nur furchtbar ist. Der Song fällt deutlich ab, vermutlich wollte man hier ein geordnetes Chaos bieten, scheiterte aber daran, dass die vielen verschiedenen Ebenen einfach nicht so wirklich zueinander passen. Deutlich besser wird es dann in Barnacle, einem weiteren Banger dieses Albums und eigentlich ein wahrhaftiger Grunge-Song. Durst klingt wie Kurt Cobain, der Sound wie Nirvana. Damit hat niemand gerechnet – aber absolut niemand wird sich darüber beschweren.

Zuvor war der Dad-Vibe noch nicht vorhanden, bei Empty Hole kann man ihn dafür erkennen. Das Beste an diesem Lied ist die kurze Dauer von 1:52 Minuten, der Rest erinnert zu sehr an eine grausame Coverversion einer Band, die gemeint hat, unbedingt Simon & Garfunkel verschandeln zu müssen. Die gerade erst angezogene Softheit wird zum Glück schnell wieder abgelegt, Pill Popper stellt wieder einen Metal-Song aus dem Lehrbuch dar. Laut, eingängiges Riff, am Geschrei knapp vorbeischrammender Refrain. Die Percussion im kurzen Break macht das Lied spannender – hier werden live wieder einige Dinge zu Bruch gehen können.

Snacky Poo hat nichts mit Metal zu tun, sondern darf als Durst-Rap am Album bleiben. Fällt natürlich vollkommen aus der Reihe, auch wenn der Song selbst zumindest durchschnittlich zufriedenstellen kann. Das ewig lange Skit zum Ende hin hätte man sich aber sparen können. Zum Abschluss wird Still Sucks noch einmal richtig melodisch: Goodbye wird von Wes Borland selbst als Boy Band Track bezeichnet, was auf Grund der unglaubliche Radiotauglichkeit dieses Songs auch als durchaus angemessene Bezeichnung durchgeht. Eine strummende akustische Gitarre, ein singender Durst, vom Aufbau werden alle Checkboxen für eine möglichen Hit abgedeckt. Wie das die Nu-Metal-Fanszene finden wird? Vermutlich semi-cool.

FAZIT

Das waren 32 gar nicht so üble Minuten. Eigentlich durfte man davon ausgehen, dass ein neues Limp Bizkit-Album alle Poren der Fremdscham aufsprießen lässt – tatsächlich gibt es nur sehr wenige dieser Momente. Klar, wenn Fred versucht eine Schnulzen-Ballade an die Hörer:innen zu bringen, dann wird’s schon ganz knapp. Aber dafür ist der Rest durchaus erfrischend. Nu-Metal 2021, dass es das noch gibt.

3,5/5 Pandroids

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