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DOPPELFINGER – BY DESIGN

© Ink Music

Genre: Folk

Wenn sämtliche Zeitungen und Musikblogs des Landes mit Lobpreisungen über ein Debüt-Album voll sind, dann müssen wir natürlich auch ganz genau auschecken, was Doppelfinger mit seinem Debütalbum By Design richtig gemacht hat.

BACKGROUND

Doppelfinger ist eigentlich Clemens Bäres, ein Mittzwanziger aus Oberösterreich, der eben mit Problem zu kämpfen hat, mit denen ein Mittzwanziger im Jahr 2022 so zu ringen hat. Die Zukunft schaut nicht so prickelnd aus, Krieg in Europa, Damoklesschwert Klima, Pademie…wie soll man da noch große Euphorie versprühen? Doppelfinger findet ganz offensichtlich halt in seiner Musik und dort insbesondere in seiner Gitarre, die zu seinem treusten Begleiter auf dem unsteten Lebensweg wird. By Design widmet sich der Quarterlife-Crises, den Herausforderungen des Erwachsenseins, der Einsamkeit und Unsicherheit. Zwölf Tracks, 36 Minuten Laufdauer.

REVIEW

Der ein oder andere von euch wird sich vielleicht schon denken können, wie der Sound von Doppelfinger klingt. Durch die angesprochenen Themen und die Wahl der Gitarre als Instrument Nummer 1, gibt’s hier feinsten Singer-Songwriter-Sound, musikthematisch würde man es Folk nennen. Da darf natürlich kein bisschen Melancholie fehlen und von der gibt’s auf By Design eine ganze Menge. Mit i see you & you see me / when i see you oh i can’t breathe beginnt er im Opener quite alright, der wie so vieles auf diesem Album vom gepflegten Akkordzerlegen und Gezupfe lebt. Doppelfinger schafft durch die Hereinnahme eines akzentuierten Pianos und heulenden Synthis eine angenehme und vertraute Atmosphäre, die man bis zum Schluss des letzten Tons des Albums nicht man verlässt.

Man hangelt sich durch die Platte und entdeckt immer wieder einen Fetzen, den man irgendwie schon einmal wo gehört geglaubt hat. Knowingly beispielsweise hätte auch auf dem Album von OSKA landen können – da passt es dann auch gut, dass sie selbst mit Backing vocals aushilft, was sie auch auf trouble macht. Die Songs treffen mit feiner Leichtigkeit, scheinen unbeschwert zu gleiten und trotzdem – meistens – mit gewieften Kleinigkeiten zu überraschen. Sei es die Mundharmonika, die Doppelfinger in bester Bob Dylan-Manier einsetzt oder ein Cello, das den Liedern noch mehr Tiefe gibt.

In Seasonal affective disorder treffen sich sämtliche Welten von doppelfinger, alles was er auf dem Album präsentieren und aussagen möchte, gipfelt in diesem Song, der stetig wächst, rastlos nach vorne geht und auch lyrisch voll überzeugt. come ’round & listen to the diary of a man in great despair – ein fantastischer Song in der Mitte des Albums, der seine Melancholie und seine Furcht, Angst, Depression nicht versteckt. Das Cello als Spiegel der zerrissenen Seele ist auch einfach nur perfekt gewählt.

Prinzipiell lässt sich Doppelfinger Zeit. Seine Lieder werden den allgemein gültigen Spotify-Hitalgorithmus noch nicht triggern, zu sehr liebt er Songlängen von durchschnittlich mindestens drei Minuten. Das ist nur in den seltensten Fällen störend, meistens passiert immer noch so viel, dass man gerne dabei bleibt und folgen möchte. A place to go beispielsweise merkt man seine Länge von 4:30 Minuten nicht an, was wohl auch daran liegt, dass man wieder ein bisschen dem österreichischen Dylan an der mundharmonika und Gitarre zuhören kann – Doppelfinger kann halt noch besser singen als der Großmeister selbst.

An anderen Stellen übertreibt er es aber mit gewissen Ehrenrunden. Quite alright findet nur schwer ein Ende, immer wieder wiederholt er sein Klagen und verleiht zwar so der inneren Teufelsspirale Ausdruck, bleibt aber auch ein erregendes Moment schuldig. Ein solches kommt in Blue Lights in Form immer stärker werdenden Celli und Synthis, dafür nimmt sich Doppelfinger zu sehr zurück.

Dennoch findet sich auf By Design bei weitem kein musikalischer Ausfall. Nicht einmal im Ansatz. Die Percussion im Closer how to hide im Zusammenspiel mit den Synthis und dem Cello bzw. Doppelfingers Gesang vereint Phoebe Bridgers mit Snow Patrol. Gut, das klingt am Papier ziemlich furchtbar, in den Ohren dafür aber sehr viel besser. Wer möchte, wird auf diesem Album auch Jake Bugg erkennen, den alten, nicht den neuen.

FAZIT

Mit By Design legt Doppelfinger ein Debüt hin, das ihn sofort zu einem der talentiertesten und natürlich auch aufstrebendsten Songwritern des Landes bzw. des deutschsprachigen Raums macht. Ein Album, das von allem lebt, was darauf geboten wird: Persönliche und gut intonierte Lyrics, reduzierte aber treffsichere Instrumentals und einer fein ausbalancierten melancholischen Atmosphäre. Natürlich hätte ein bisschen Wumms zwischendrin nicht schlecht getan. Aber darum geht’s ja hier jetzt nicht. Wir sind Mittzwanziger, wir versuchen hier auch mal zur Ruhe und vor allem zur Lebensordnung zu kommen. Lass krachen, wann immer du möchtest, Doppelfinger, fürs erste, darf die Gitarre bitte auch gerne länger so weiterklimpern.

7,6/10

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