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BLACK MIDI – HELLFIRE

© Rough Trade

Genre: Experimental Rock

Das dritte Album der britischen Band zeigt die Gruppe von ihrer wohl besten Seite. Das Trio konnte uns im vergangenen Jahr mit ihrem Zweitwerk Cavalcade begeistern und landete mit einem der progressivsten Rock-Alben auf Platz 29 in unserer Bestenliste.

Das Konzept

Hellfire darf als Konzeptalbum verstanden werden, wenn auch nicht als komplett zusammenhängendes. Im Zentrum steht der Untergang, das Chaos und die Hölle. Jeder noch so kleine, schöne, vielleicht auch romantische Moment, wird vom Bösen eingesaugt und zerfressen.

Wir begegnen vielen verschiedenen Figuren (wobei nicht alle öfters am Album in Erscheinung treten) die – laut Säger Geordie Greep, allesamt auf ihre Art und Weise echte Scheißkerle sind. Neben den Bandmitgliedern, die sich selbst auch zu den Protagonisten von Hellfire zählen, lernen wir zunächst Sun Sugar und Sun Tzu kennen, die sich am 31. Februar 2163 im Weltschwergewichts-Boxkampf im Ring gegenüberstehen. Black Midi erzählt im Song Sugar/Tzu das Aufeinandertreffen und das tragische Ende von Sun Sugar, der von einem namenlosen Charakter von kleiner Statur hinterrücks ermordet wird. Der Tathergang erinnert stark an den echten und tragischen Mord an John Lennon.

In Eat Man Eat lernen wir den Captain kennen, der eine Mine leitet und dort seine Angestellten oder auch Fremde vergiftet um aus Magensäure einen besonderen Wein herstellen zu können.

Welcome To Hell stellt uns den vermeintlichen Hauptdarsteller dieses Albums vor. Private Tristan Bongo, der auch noch später in The Race Is About To Begin einen Auftritt hat. Bongo ist 30 Jahre alt, wird auf Grund einer vom Krieg ausgelösten posttraumatischen Störung von seinem Commander als Feigling bezeichnet und schlussendlich auch vom Dienst entlassen. In seinem späteren Leben entwickelt er eine Spielsucht – hauptsächlich für Pferderennen – und gibt sein Leben auf.

Wo die Hölle ist, muss natürlich auch der Teufel sein. Satan kommt ebenfalls vor, er hat seine Auftritte in Dangerous Liaisons als er einer Person aufträgt, einen Mord zu begehen. Erst später gibt er sich als Teufel zu erkennen und der Protagonist kämpft mit den Konsequenzen seiner Handlungen. In The Defence hat er es auf einen christlichen Zuhälter abgesehen, der davon ausgeht, dass seine Frauen allesamt in der Hölle landen werden – nur um drauf zu kommen, dass nicht sie, sondern er selbst im Höllenfeuer landet.

Zu guter Letzt bleibt noch Freddie Frost, der als jünger als das Leben, älter als der Tod beschrieben wird.

Sämtliche Texte sind wohl durchdacht und zeigen von hohen Storytellingqualitäten.

Die Musik

Wie beschreibt man jemanden der die Band nicht kennt den Sound von Black Midi? Krach, unharmonisch, wüst, wild, kakophonisch. Black Midi wurde in den vergangenen Jahren mit so ziemlich jeder vorhandenen progressiven Band oder jedem progressiven Künstler in Verbindung gebracht – am Ende wird ihr aber kein Vergleich recht. Black Midi macht Sound, den nur Black Midi machen kann. Das Surreale an dieser Band ist nicht nur das unglaublich junge Alter der Mitglieder, Cameron Picton, Geordie Greep und Morgan Simpson sind gerade einmal 22 bzw. 23 Jahre jung, die beiden ergänzenden Mitglieder Kaidi Akinnibi und Seth Evans sind auch keinen Deut älter. Black Midi macht Lärm mit Vorsatz, sie bringen aber neben dem klassischen Rocklineup aus Gesang, Gitarre, Bass und Drums auch noch ein Saxophon, Synthis und Keyboard mit. Greeps Gesang ist wie der gesamte Sound der Band hochenergetisch, teilweise zwar bewusst zurückhaltend, nur um im Lauf der Zeit zum Chaos zu eskalieren.

Neben Greep singt auf Hellfire auch wieder Picton einige Nummern, ihm verdanken wir die Geschichte zweier verlorener Freunde, die in die Fänge des Captains in Eat Man Eat geraten als auch das (auf deutsch umgemünzte und wortwörtlich zu nehmende) Still. Dabei handelt es sich nicht nur um die längste Single des Albums, sondern auch um den einzigen Track, der tatsächlich in einer immer gleichbleibenden harmonischen Atmosphäre bleibt und fast schon als Country-Nummer durchgehen könnte.

Der Höllenritt wird auf später verschoben. Hier wird gejazzt, ohne sich der Kakophonie hinzugeben. Hellfire stellt die Symbiose zwischen den beiden bisher erschienen Alben Schlagenheim und Cavalcade dar. Die lyrische Stärke des Debüts trifft auf das Unkonventionelle und Verrückte des Nachfolgers.

Der Aufbau der einzelnen Songs mag auf den ersten Blick gleich erscheinen: Meistens ein relativ einfacher Einstieg, der sich dann eben zum Chaos entwickelt. Chaos ist aber absolut hochwertig gemeint, die Band zeigt in den gesamten kapp 40 Minuten ihr außerordentliches Gespür für Harmonien und Experimente. Größtes Highlight in diesem von Höhepunkten strotzenden Werk ist The Race is about to begin, das die gesamte Bandbreite der Band wohl am besten zum Ausdruck bringt. Sprechgesang vom feinsten, schrille Gitarren, brutales Drumming in Maschinengewehr-Manier und trotzdem auflösende, wunderbare Momente.

FAZIT

Hellfire passt perfekt in unsere Zeit. Ein Album inmitten der Klimakrise und massiven gesellschaftlichen Problemen und Herausforderungen rund um den Globus. Die Platte ist hochgradig experimentell, verschließt sich nicht vor Unkonventionellem und zeigt Black Midi von der besten Seite. Ein apokalyptisches Musical der großen nKlasse. Ein echter Anwärter auf das Album des Jahres.

10/10