© Secretly Canadian
Genre: Indie-Pop/Rock
Satte neun Jahre haben uns die Veteranen der New Yorker-Indie Renaissance warten lassen, bis jetzt endlich das langersehnte fünfte Studioalbum der Yeah Yeah Yeahs Cool It Down erschienen ist. Die Band verbindet hier sämtliche Stilrichtungen ihrer langen Karriere.
BACKGROUND
Anfang der 2000er war Indie Rock der heißeste Shit. Nach den grauenhaft langen, aber immerhin unterhaltenden Jahren des Nu-Metal, brach eine neue Welle des Indie aus. In den USA bildete New York das Zentrum der Bewegung, mit Bands wie den Strokes oder den White Stripes (gut, die kommen eigentlich aus Detroit). Die Yeah Yeah Yeahs um Sängerin Karen O konnten sich in die Riege der bedeutsamen Indie-Bands eingliedern und mit Fever To Tell 2003 ein beachtliches Debüt abliefern. Garage Rock traf auf Dance Punk, der Sound war dem neuen Jahrtausend angemessen und schlichtweg fresh. 2006 folgte Show Your Bones, 2009 das für Viele beste Album It’s Blitz, auf dem die Band den Synthesizern immer mehr Raum gab und auch mehr in poppigere Richtungen schielte. 2013 erschien das bisher letzte Album Mosquito, auf dem sie sich vor allem dem verträumten Art Rock widmeten.
Es folgte Leere – eine Pause, die erst 2017 mit ersten Auftritten wieder beendet wurde. Neue Musik gab es keine, dafür bekam man Karen O, Nick Zinner und Brian Chase immerhin wieder zu sehen. Umso schöner schließlich das Comeback Anfang Juni dieses Jahres, als die Band mit Spitting Off the Edge of the World eine erste Single veröffentlichte und große Vorfreude auf das jetzt erschienene Album Cool It Down auslöste.
REVIEW
Richtig übertrieben wurde nicht – gerade einmal acht neue Songs präsentieren die Yeah Yeah Yeahs bei einer Laufdauer von gut 33 Minuten. Qualität statt Quantität ist und bleibt ein Motto, dem man sich verschrieben hat. Spitting Off the Edge of the World bildet den Opener, ein fantastischer Song von der ersten Sekunde an, der mit mächtigen Synthis die Hörer aus den Sesseln hievt und stellvertretend für die musikalische Richtung dieses Albums angesehen werden darf. Die Yeah Yeah Yeahs zeigen alle Facetten ihrer Weiterentwicklung der vergangenen zwanzig Jahre auf dieser Platte, verknüpfen Synthis mit Klängen vergangener Tage. Spitting Off the Edge of the World zieht mit einfachen Mitteln in einen Bann, vor allem der Refrain, elegisch und trotzdem aufregend, kann genossen werden. Man kann hier sogar Nuancen von Lana Del Rey heraushören (Blue Jeans etwa), was der Band gut steht. Elegisch, nostalgisch, vielleicht ein bisschen düster. Perfume Genius singt zusammen mit Karen O, gibt den perfekten Counterpart und lädt den Track mit Feinheiten zu einem stimmungsvollen Kracher auf. Besser kann man nicht in ein Album starten – vor allem in eines, das neun Jahre auf sich warten hat lassen.
Zeit nehmen für Entwicklungen – Lovebomb eröffnet mit Synthis, E-Strings, bis nach und nach der Bass und die Drums einsetzen und Karen mit leicht schmerzvollem Gestöhne den Song startet. Sprechgesang dominiert einen großen Teil dieses mysteriösen Gebildes, der im Refrain schlussendlich doch dem stimmungsvoll passenden Gesang Karens weichen muss. Stars, don’t fail me now wiederholt Karen mantraartig, bis das Licht aufkommt, der Song aber in seiner geheimnisvollen Grundstimmung verharrt.
Den wohl größten und wuchtigsten Synthi-Auftritt bietet Wolf. Zunächst nur im Hintergrund und als Begleitung von Karen, übernimmt im Refrain ein massives Thema, das durchaus an die 80er Jahre und die Hochblüte des Post-Punk erinnert. Wolf galoppiert, weist stark abgestimmte Harmonien auf und kümmert sich nicht darum, dass man eventuell von „zu dick aufgetragen“ sprechen könnte. Die Band wechselt immer wieder das Schema, verwendet Breaks, geht auf tiefe Bässe zurück, die abermals von den schrillen, hohen und dominierenden Synthis abgelöst werden – ehe der Song abrupt endet, ohne Vorwarnung und mit einem kleinen bisschen Verwunderung.
Fleez holt dann so richtig die Gitarren heraus, fällt mit tiefen Riffs und aufwendigerer Percussion auf. Karen tut ihr Bestes um den Song mit ihrem Gesang zu etwas ganz besonders Spannenden zu machen, was auf Grund ihrer stimmlichen Vielseitigkeit auch gelingt. Natürlich schwirrt über allem immer wieder ein Synthi, der eine weitere Ebene der Vollständigkeit bietet. Hier kommt man den alten Yeah Yeah Yeahs schon sehr nahe.
Als zweite Single wurde im August Burning vorgestellt. Klavier und Schellenring als zentrale Bausteine, eine fette E-Gitarre zum Drüberstreuen. Burning fühlt sich größer und stärker an, als alles was man bisher gehört hat – verwendet verspielte Synthis, die gut und gerne aus diversen JRPG-Videospielen stammen könnten. Karen fährt über alles drüber, ohne übers Ziel hinwegzuschießen. Durch die stetige Entwicklung bleibt das Lied definitiv in Erinnerung. Man darf von einem perfekten Indie-Pop-Rock-Song sprechen.
Blacktop bringt uns wieder in die Symbiose des Alten und Neuen, Karen O erinnert an Ellie Roswell und überhaupt könnte dieser Song von Wolf Alice stammen. Der verhalten und trotzdem kräftig anmutende Refrain, samt Falsett-Passagen, bestimmt den Song. Wieder spielt sich die Band mit unterschiedlichen Breaks. Unterm Strich bleibt viel Vertrautes, Warmes übrig, dem man sich gerne hingibt – gerade weil der Track auf großen Schnickschnack verzichtet und sich viel lieber auf langgezogene Basics verlässt.
Das vorletzte Stück Different Today kommt mit mehr Drive daher, Karen besingt den ganz normalen Wahnsinn der Welt, während im Hintergrund wieder über allem ein Synthi schwebt. Den Rest machen die Drums und die Gitarre samt Bass, der auch immer wieder durchblitzen darf. Sehr kurzweiliger Track. Mars schließt Cool It Down mit Karens Sprechgesang über einen sehr ruhigen, wiegenliedähnlichen Synthi. Ein kurzer, persönlicher Abschluss eines Albums, das sich die ein oder andere Nummer mehr verdient hätte.
FAZIT
Die Yeah Yeah Yeahs können es noch immer. Trotz langer Pause zeigt sich die Band hungrig und experimentierfreudig. Die Entwicklung der Gruppe schreitet voran, der Notwendigkeit Stillstand zu vermeiden, wird fast alles untergeordnet. Star des Albums – neben Karen O – ist der Synthi, der sich Raum nimmt und diesen auch ausnützen kann. Schade, dass es nicht für mehr Tracks gereicht hat. Die, die am Album präsentiert werden, sind aber durch die Bank stark.
8,9/10
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.