© Ariola
Genre: Schlager
Sieben Jahre Pause, jetzt das Comeback zum zehnjährigen Jubiläum. Vanessa Mai kehrt zu ihren Wurzeln zurück und legt den Deutsch-Pop kurz zur Seite, um den Schlager einmal mehr zu zelebrieren.
Sie ist die Königin des generischen Deutsch-Pops und eine der Anspruch stellenden Thronfolgerinnen auf die Schlager-Krone ihrer Schwiegermutter Andrea Berg: Vanessa Mai. Hotel Tropicana nennt sie ihr neuestes Projekt, das wieder als Wolkenfrei veröffentlicht wurde. Jene musikalische Formation, mit der sie in der Musikbranche Fuß fassen konnte. Deshalb gibt’s jetzt auch ein Album zum zehnjährigen Bestehen – wobei streng genommen ist Wolkenfrei nur noch Vanessa Mai.
Diese Platte erinnert wieder einmal an das Problem, das sich durch Vanessa Mais Karriere zieht: Die vollkommene Austauschbarkeit der Klänge und an den offenbar nicht vorhandenen Anspruch, irgendeine Form von Musik abseits der Klischees und 0185-Melodien zu produzieren. Aber gut, wir sind ja hier im Schlager und es geht um was anderes.
Ums träumen, von der Liebe und der Ferne, ums Mut machen. Zack startet die Platte mit Uns gehört die Welt – Uptempo-Power-Schlager Synthies aus der Modern Talking-Hölle und einem dargebotenen Refrain, der an Seichtheit und komischerweise auch Kraftlosigkeit nicht unterboten werden kann.
Bis zum Morgenrot, ein von Synthies in maximaler Form überladener Power-Schlager, der sich offenbar an Pop-Sensationen wie Loreen orientieren wollte, sich aber im engen Synthie-Korsett der austauschbaren Standard-Akkorde nicht sonderlich groß entfalten kann. Da kann Vanessa noch so groß aufsingen (wollen).
Die heile Welt und Orte der Sehnsucht dienen dem Schlager allgemein als Hauptmotive. Wie man musikalisch in diese Welt kommt, scheint nicht von großer Bedeutung. Lieder wie Wolkenflieger sind schon seit 20 Jahren absolutes Standardwerk, fallen in überhaupt keiner Art und Weise auf, selbst wenn die Synthies im Hintergrund schrillen und pfeifen, wie sie wollen. Das Lied ist behäbig und mühsam, bewegt sich nicht vom Fleck, man muss Angst haben, dass der Flieger abstürzt, weil der Sprit ausgeht.
Aber gut, wenn man mal im Paradies angekommen ist, wird alles besser. Zeit für Entspannung. Der titelgebenende Track Hotel Tropicana zeigt sich von einer poppigeren Seite, hätte unter großen Umständen eventuell auf ein Vanessa Mai-Album passen können. Der endlose Sommer kann losgehen, Vanessa hat den Bikini schon an und pfeift sich zwei Dosen des Energy-Krösus in die Batterie, damit man das alles auch energiereich bestreiten kann. Einer der besseren Songs des Albums.
So was ist jetzt da, gibt’s da auch mal Sex? Man spricht in der Schlagerwelt ja nicht explizit darüber, sondern umschreibt den Geschlechtsakt immer vorsichtig. Ein Selfie von heut Nacht zeigt uns das wieder einmal – man hat sich bis zum Morgengrauen geliebt. Sonst passiert nicht viel, wobei – wir bekommen mal ein kurzes Break, was gar nicht mal so übel reinpasst. Über den Text – und das gilt für jeden einzelnen der zwölf verschiedenen Lieder – muss man keine großen Worte verlieren. Chat GPT könnte mitgeholfen haben.
Summer Kisses dürfen nicht fehlen und man nimmt sie eh ganz gern in Empfang, wenn Vanessa fein durch die Strophe führt. Hier kommt ein bisschen Hoffnung auf, vielleicht kommt mal nicht 0815-Dosensound. Tja, vergebene Hoffnung, der Refrain beruft sich auf das ein mal eins des Schlagers und liefert den nächsten generischen Cut ab. Über Einmal Las Vegas und Zurück sollte der Mantel des Schweigens gebreitet werden, die Simplizität und Anspruchslosigkeit dieses Lieds reizt Schmerzgrenzen aus. Aber man wird schunkeln können.
Wahre Liebe tut nicht weh hat zumindest mal ein paar Oh-Oh-Chöre dezent im Hintergrund, kann man sich reinpeifen. Flieg mit mir könnte einen Ohrwurm auslösen, ob man den behalten möchte, liegt im Ermessen des Hörers. Eine ultra-generische Nummer. Wenn ich jetzt nicht geh klingt wie alles andere, man hat das Gefühl, diesen Song schon einmal auf diesem Album gehört zu haben. Das ist jetzt der kleine Heartbreak-Track mit Anmutung aus dem Jahr 2013 – Beatrice Egli könnte den Song geschrieben haben.
Erst spät folgt die erste Ballade des Albums: Die Zeit heilt alle Wunden singt Vanessa und alles was hier passiert, steht ihr sehr gut. Leider verlässt sich der Refrain zu sehr auf gängige Muster und manipuliert so einen eigentlich okayen Song. Diese Richtung passt jedenfalls sehr gut zu Vanessa, die Ruhe wird von ihrer Stimme sehr schön in Szene gesetzt. Und zum Schluss kommen wieder die Synthies aus der Dose und Vanessa träumt wie im Märchen.
Die beiden Mix-Versionen am Ende verwässern das ohnehin schon sehr dünne Spannungsfeld noch mehr. In fünf Minuten wird praktisch das Album zusammengefasst.
Hotel Tropicana lässt hin und wieder Vanessas Potential aufblitzen, zeigt aber vor allem, dass sich alle hier Beteiligten vollkommen einverstanden damit sind, nur das absolute Minimum an musikalischer Beweglichkeit abzuliefern.
2,9/10
Früher Sängerknabe, heute zwischen Fußball, Football und viel Musik. Im Herzen immer Punker.